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YASMIN LEVY
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"Ich musste nur
mein Herz öffnen"

 

Um die 500 Ladino-Lieder trug Yitzhak Levy im Auftrag des Israelischen Rundfunks zusammen; Lieder, die nach der Vertreibung der spanischen Juden nach 1492 überall in der europäischen Diaspora entstanden waren und zum Teil über Jahrhunderte mündlich überliefert worden waren. Doch allein das Zusammentragen sichert die Beständigkeit nicht, es brauchte jemanden, der diese kulturelle Schatztruhe nicht nur sicher stellte, sondern sie auch öffnet. Diese Lebensaufgabe hat sich Yitzhak Levys Tochter Yasmin zu eigen gemacht. Gerade erschien ihr viertes Album "Sentir", das wiederum den ganzen Reichtum der väterlichen Sammlung hell erstrahlen lässt.

Yasmin ist weit mehr als eine Gralshüterin der Vergangenheit. Wie schon auf ihren vorigen Alben, zuletzt "Mano suave" (2008), legt sie einen besonderen Akzent auf die Modernität der alten Vorlagen. Was in Spanien Ende des 15. Jahrhunderts brutal zerschlagen wurde, nämlich die weitgehend friedliche Koexistenz dreier großer Religionen und eines bunten Völkergemischs, fügt sie wieder zusammen: maurisches Temperament und Klezmer, Sakralgesang und feurigen Flamenco.

Schließlich geht sie noch einen Schritt weiter: Sie führt die Tradition fort, bereichert sie um eigene Kompositionen, fügt ihr neue Klangfarben hinzu und setzt ihre eigenen Themen. Für die Arbeit an "Sentir" suchte sie sich Javier Limón als Produzenten. Der Spanier mit einer beeindruckenden Referenzliste als Gitarrist (z.B. für Paco de Lucia, Ana Belen, Diego el Cigala) und Produzent (zuletzt des gefeierten Albums "Terra" der portugiesischen fadista Mariza) erarbeitete mit Jasmin Levy ein Konzept, das Flamenco, Jazz und kubanische Rhythmen miteinander vereint. So beginnt das Album mit einem vom kubanischen Jazz inspirierten Piano (Iván Lewis "Mélon"), dessen filigrane Virtuosität auch bei späteren Liedern immer wieder aufgegriffen wird. Neben der Flamencogitarre (Limón) ist es das auffälligste Instrument - abgesehen von der fantastischen Stimme Jasmin Levys. Fast erscheint "Sentir" als nahtlose Fortsetzung von Limóns Arbeit mit Mariza, wenn auch mit einem verschobenen Schwerpunkt: Nicht aus den Altstadtgassen Lissabons stammt die Musik, sondern aus den ehemals jüdischen Vierteln von Sevilla, Toledo und Saragossa.

Yasmin Levy scheint über den Kompositionen und den Arrangements förmlich zu schweben, so leicht, so hell, so weich ist ihr Timbre, mit dem sie sowohl alte als auch neue Ladino-Lyrik interpretiert: "Sentir" enthält neben einem Stück von Javier Limón auch zwei Eigenkompositionen von Levy selbst, darunter "Porque", ein Duett mit Eleni Vitaly - und unvermutet "Hallelujah", den Klassiker von Leonard Cohen. "Ich musste nur mein Herz öffnen, und als ich das tat, öffnete sich mir eine ganz neue Welt", sagt Yasmin Levy, die das Lied in spanischer Übersetzung singt, über den Adaptionsprozess.

Vor allem in emotionaler Hinsicht dürfte ein anderes Experiment nochmals schwieriger gewesen sein: ein Duett Yasmin Levys mit ihrem 1976 verstorbenen Vater. Yitzhak Levy hatte die alten Ladino-Lieder nicht nur gesammelt, sondern auch selbst gesungen. Die Technik ermöglichte ihr, seine Gesangsstimme in ihre Aufnahme einzufügen, und so entstand "Una pastora", ein altes, sehnsuchtsvolles Liebeslied. Mit der Aufnahme holt Yasmin Levy nach, was ihr das Leben nicht ermöglichte: Sie war gerade erst ein Jahr alt, als ihr Vater starb. Wie nah sie ihm heute dennoch gekommen ist, zeigt ihr beeindruckendes Werk.

 


© Michael Frost, 20.09.2009

 


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