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Realismus statt
Revolutionsromantik


"Was dem Changui fehlt, findet man im Hiphop", sagen Yasel Gonzáles Rivera und Gerald Thomas Collymore. Und so kombinieren die beiden jungen Kubaner den alten Musikstil, der sich im 19. Jahrhundert aus der Musik spanischer Einwanderer und afrikanischer Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen entwickelt hatte, mit dem Sound der afroamerikanischen Ghettos in den USA.

Das Ergebnis bezeichnen die beiden Nachwuchsstars, die sich zum Duo "Madera Limpia" zusammenfanden, nun als Teil der kubanischen Jugendkultur. Sie bleibt ihren Wurzeln treu, sucht aber dennoch Anschluss an die globale Musikkultur. "La corona" mischt deshalb Salsa, Changui, Mariachibläser mit harten, in Spanisch vorgetragenen rhymes und Hiphop-Beats.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass Madera Limpia ausgerechnet aus Guantánamo stammen. Der Ort im Südosten Kubas ist Namensgeber für die US-amerikanische Exklave auf Kuba, wo zahllose Terror-Verdächtige unter Ausschluss rechtsstaatlicher Prinzipien zum Teil seit Jahren eingesperrt sind.

Auch für Kubaner ist die Gegend nicht sonderlich verlockend, viele verlassen die Region Richtung Havanna oder in die touristischen Gebiete, freilich ohne wirkliche Perspektive. In ihren Raps erzählen Madera Limpia beispielsweise von jungen Männern aus ihrer Gegend, die ihren Lebensunterhalt als Stricher unterhalten.

Ihr internationales Debüt verdanken Madera Limpia der rumänischen Filmemacherin Alina Teodorescu. Sie lernte die Musiker bei den Dreharbeiten zu ihrem Dokumentarfilm "Paraiso" kennen und entschloss sich kurzerhand, auch den Soundtrack zum Film zu produzieren.

"La corona" ist nun, bei aller Kritik an den herrschenden Verhältnissen in Kuba, eine Hommage an die musikalische Tradition der Karibikinsel, aber auch Dokument des wachsenden Selbstbewusstseins einer Generation, die mit Macht nach internationalem Austausch ruft, sich nicht mehr begrenzen oder gar einsperren lassen will - und ein deutliches Zurechtrücken der verklärten Revolutionsromantik, die noch heute so manchen Europäer beim Betrachten kubanischer Verhältnisse trübt.

 

© Michael Frost, 10.10.2008


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