Den 
          Ehefrauen berühmter Männer wird oft Unrecht getan, wenn man 
          sie einfach als "die Frau von ..." bezeichnet. Auch im Fall 
          von Rita Marley scheint die Gefahr allgegenwärtig, denn Ehemann 
          Bob war schon zu Lebzeiten eine Legende, und daran hat sich auch heute, 
          mehr als zwanzig Jahre nach seinem frühen Krebstod am 11. Mai 1981, 
          überhaupt nichts geändert.  
          Doch 
            Rita Marley war schon Musikerin, bevor sie ihrem Bob begegnete. Allerdings 
            stellte sie ihre eigene Karriere zugunsten der gemeinsamen Arbeit 
            zurück. Mit zwei anderen Sängerinnen bildete sie den Backgroundchor 
            seiner Produktionen, und einer der ganz wenigen Background-Chöre 
            überhaupt, der unter einem eigenen Namen berühmt wurde: 
            "The I-Threes". 
          Ihr 
            erstes Soloalbum veröffentlichte Rita Marley erst nach dem Tod 
            ihres Mannes, und die Musik aufgegeben hat sie nie. 1991 wurde sie 
            sogar für einen Grammy nominiert. So ist die Tatsache, dass Rita 
            Marley auch im Jahr 2004 ein Album veröffentlicht, an sich keine 
            Überraschung. Dann schon eher die Tatsache, welche Musik sie 
            darauf zum Besten gibt. 
          Wer 
            nämlich einen sentimentalen Aufguss des Reggaesounds vergangener 
            Jahrzehnte erwartet, der mag beruhigt sein: "Sunshine after rain" 
            ist eine überraschend vielseitige Produktion, die am allerwenigsten 
            als Reggae-Album bezeichnet werden kann. Vielmehr geben Soul, R&B, 
            Funk und Rap den Ton an. Gemeinsame Auftritte von Rita Marley mit 
            Lauryn Hill, Erykah Badu und Queen Latifah haben hörbare Spuren 
            hinterlassen. Auch Wyclef Jean steuerte einen Titel bei ("Take 
            me. to the West Indies"), den er auch produzierte. 
          Doch 
            ganz ohne Bob will Rita Marley auch im Jahr 2004 nicht sein. So gibt 
            es mit "Holding on to this feeling" einen Titel, in dem 
            Jamaicas berühmtestes Paar wieder vereint ist. Bobs und Ritas 
            Gesang wurde in einen aktuellen R&B-Sound eingebettet, allerdings 
            hier dann doch wieder mit dem typischen "I Three"-Gesang, 
            und wer weiß, vielleicht wäre dies der Sound, in dem wir 
            Bob und Rita Marley auch heute noch erleben könnten. Dialektisch 
            betrachtet, würde man vielleicht zu folgendem Schluss kommen: 
            Rita Marley macht uns die Lücke, die durch den Tod von Bob Marley 
            entstanden ist, schmerzhaft bewusst - doch gleichzeitig ist sie es 
            selber, die diese Lücke schließt. Nicht durch die Musealisierung 
            ihres Mannes, sondern durch ihre sehr eigenständige, emanzipierte 
            Vorgehensweise, die viel Respekt und Anerkennung verdient.
           
          © 
            Michael Frost, 25.09.2004