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"Lalala -
feel the samba!"

 

Die Eurokrise, der Afghanistankrieg, die Ölpest, Bischof Mixa, die FDP und der kalte Mai - es gibt derzeit nicht eben wenige Gründe, einigermaßen gramvoll aus der Wäsche zu gucken. Da kommt einem die ausgesprochen gute Laune, die Sergio Mendes' neues Album verbreiten möchte, schon fast unverschämt vor. Wie kann er nur, angesichts von Eurokrise, Afghanistankrieg, ...?

Mendes besitzt dann noch die Frechheit, sein Album sogar "Gute Laune" zu nennen - "Bom tempo" auf Portugiesisch respektive Brasilianisch. Schon der erste Titel "Emorio" kommt mit der unerreichten Leichtigkeit der Bossanova daher, so verspielt und temperamentvoll, dass man die Krisen der Welt einfach nur noch vergessen möchte. Statt dessen denkt man an die bonbonfarbene Begleitmusik von "Signor Rossi sucht das Glück".

Sergio Mendes, brasilianischer Großmeister des Tropicalia-Sounds und Komponist von Evergreens wie "Mas que nada", gehen solche Melodien offenbar wie von selbst von der Hand. Oft kommt ein Song mit catchy Bläsern, Sambarhythmus und betörendem Frauenchor aus: "Lalala - feel the samba". Unverschämt, wie gesagt - aber wirkungsvoll.

Andererseits steht Sergio Mendes für den genreübergreifenden Austausch. Vor einigen Jahren arbeitete er mit Hip-Hopper Will.i.am (Black Eyed Peas), und auch auf "Bom tempo" finden sich, wenn auch deutlich seltener, Versatzstücke aus dem Hiphop wieder. Der Schwerpunkt des in Los Angeles lebenden Mendes liegt diesmal wieder in Brasilien. Mit Carlinhos Brown, Milton Nascimento und Seu Jorge holte er sich sowohl Veteranen als auch Modernisierer der Bossanova ins Studio - außerdem ist auch seine Ehefrau Gracinha Leporace wieder mit von der Partie.

Man mag Mendes die fast banale Leichtigkeit seines Sounds vorwerfen, doch das, was seine Musik schon immer auszeichnete, gilt auch hier: Es herrscht ein hohes Maß an musikalischer Perfektion, die Arrangements sind pointiert, die Gesangspartien passgenau darüber gelegt. So wie in Film und Theater gilt, dass nichts schwieriger ist als die Menschen zum Lachen zu bringen, so ist die hohe Kunst in der Musik, gute Laune zu verbreiten.

Brasilianern wie Mendes, Nascimento und den anderen gelingt dies vielleicht deshalb besonders überzeugend, weil sie nie in den Geruch geraten, Krisen und Probleme dadurch klein reden zu wollen, denn gerade in ihrer Heimat sind die Extreme zwischen sozialen Verwerfungen und dem grell-bunten Lebensgefühl von Fußball und Karneval allgegenwärtig. Genießen wir also einen Moment des "Bom Tempo" - und widmen uns anschließend umso widerspenstiger der Eurokrise, dem Afghanistankrieg - usw.

© Michael Frost, 16.05.2010


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