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Geschwisterliches
Musizieren

von Hans Happel


Sie musizieren geschwisterlich im besten Sinn. Sie nähern sich einander an, umspielen sich, plaudern miteinander, sie klingen gelöst und gelassen, sie harmonieren ohne jede Anstrengung. Pat Metheny und Brad Mehldau haben aus ihrer einwöchigen gemeinsamen Aufnahme-Session im Dezember 2005 ein zweites Album herausgeschnitten, es heißt "Quartett", denn diesmal stehen nicht wie auf dem ersten im September 2006 veröffentlichten Album die intimen Duo-Stücke im Vordergrund, sondern hier wird Metheny wird zum vierten Mann in Mehldaus Trio.

Larry Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (drums) tragen dazu bei, das diese Aufnahmen Spannung auch aus ihrer rhythmischen Vitalität beziehen, dass die rhythmische Grundierung bis hin zum Rock-Feeling ausschlägt, und dass Mehldau am Piano gelegentlich ein Tempo anschlägt, mit dem er Methenys Hang zur ausschweifend meditativen Langsamkeit, ja zur Blumigkeit, die eigene Lust an kühlen, präzisen Sentenzen entgegensetzt. Mehldau erweitert - wie so oft - seine eigenen Grenzen, wenn er sich andererseits den weichen Formen Methenys hingibt, er zieht sich als Begleiter diskret zurück, lässt dem Gitarristen den Vortritt und findet in der Übernahme der Themen einen so zarten, behutsamen Tonfall, dass es den Anschein hat, als würden diese beiden Musiker seit eh und je zusammen spielen.

Zu den besonders mitreissenden Aufnahmen gehört das energiegeladene Eingangsstück "A Night Away", das M& M gemeinsam komponiert haben, in dem aber der Pianist mit seinen Sidemen Tempo und Ton angibt. Im Gegensatz dazu ist Track zwei, Methenys "The Sound of Water", ein leises, impressionistisches Farbenspiel, so wird die Bandbreite der musikalischen Linien abgesteckt, zwischen denen die Musiker sich bewegen. Sie balancieren außerordentlich zwanglos zwischen der verspielten Sanftheit des einen und der romantisch unterfütterten Coolness des anderen.

Romantisch sind sie beide, darin treffen sich die lebensbejahende Freundlichkeit von Methenys Gitarrenspiel mit dem manchmal tief melancholischen Ernst bei Mehldau. Metheny wird von Mehldau zurückgerufen, sobald er zu sehr ins Blumig-Ornamentale hinauswill, und Mehldau wird von Metheny angeleitet, sich fallen zu lassen und die Farben einer melodischen Phrase auszukosten. Bassist und Drummer halten beide Musiker zusammen, verdichten und garantieren den Fluss des Zusammenspiels, das stets locker und filigran bleibt.

"Long before" heißt eine Metheny-Komposition, das Mittelstück des Albums, das die Produktivität des Zusammenspiels der beiden Meister auslotet: Es ist nicht zufällig eine der vier Duo-Aufnahmen, denn hier zeigen sie, wie überraschend nah sie einander kommen können, wie intuitiv sie - von unterschiedlichen Ausgangspunkten her - den musikalischen Geist des anderen verstehen. In den letzten zwei Aufnahmen gibt sich der Pianist vollständig in die Metheny-Kompositionen hinein, ohne sich dabei zu verlieren.

Der Schlußtrack "Marta´s Theme" - aus der italienischen Kino-Komödie Passagio per il paradiso (1998) - bleibt zwar ein typisches Metheny-Stück, funktioniert aber wie eine Umkehrung: Eingangs spielt der Pianist das Thema auf seinem Instrument, als handle es sich um Methenys Gitarre, während der Gitarrist sein Instrument so zurückgenommen anschlägt, als würde er mit dem Klavier verschmelzen wollen. Ja, geschwisterliches Musizieren, ein selten intensives Zusammenspiel.

© Hans Happel, 22. März 2007

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