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Eine Atmosphäre,
die zu Herzen geht


Vergleicht man "Cœurs" mit den vorigen Alben von Jérôme Minière, ist man erneut überrascht. Denn während "Petit cosmonaute" noch mit introspektiver Soundfrickelei aufwartete und "Chez Herri Kopter" angriffslustige Kapitalismuskritik zelebrierte, präsentiert Minière sich nunmehr mit erstaunlich leichten, bisweilen fast fröhlichen Popsongs.

Allen voran der Titelsong - für Minières Verhältnisse schon fast eine Uptempo-Nummer - gibt einen neuen, sehr angenehmen und harmonischen Ton vor. Überraschend ist auch, dass er diese Atmosphäre durchhält. Die 15 Lieder des neuen Albums wirken als Einheit, es gibt zwar hörbare Unterschiede, aber keine Brüche.

Jérôme Minière bleibt freilich der detailversessene Soundbastler, als den man ihn vor einigen Jahren, als die Welle des "Neo-Chanson" erstmals auch nach Deutschland schwappte, kennen gelernt hatte. Hörte man sich "Petit cosmonaute" über Kopfhörer an, hörte man Klänge, die beim normalen Abspielen der CD nicht auszumachen waren, und diese Momente hält auch "Cœurs" (Herzen) wieder bereit, bloß entstanden sie diesmal auffallend häufig nicht im PC, sondern "organisch", an traditionellen Instrumenten, vor allem am Klavier.

An seiner bedachtvollen, versponnen-verschrobenen Grundstruktur hält Minière fest. Und dennoch entdeckt man auf "Cœurs" immer wieder Ohrwürmer, die hängen bleiben, obwohl (oder gerade weil) sie auf auffällige, spektakuläre Effekte verzichten: "Étoiles", "Étincelles", "Disque dur miniature" zum Beispiel, sowieso der Titelsong, und "Petit homme" am Ende. Die fast übervorsichtige Art Minières, elektronische und akustische Elemente miteinander zu verbinden, bis sie eine organische, somit untrennbare Einheit bilden, ist in der aktuellen Popszene keineswegs selbstverständlich.

Wo andere auf auffällige Effekte setzen, die nur einen Moment lang vorhalten und deshalb ständig gesteigert werden müssen, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers länger zu binden, geht Minière den umgekehrten Weg. Zunächst kann man deshalb gar nicht genau erklären, weshalb man "Cœurs" wieder und wieder hören möchte: Das Album bildet in der Summe seiner Lieder eine Atmosphäre, die zu Herzen geht.

Im frankophonen Teil Kanadas, wo Minière seit mehreren Jahren heimisch ist, wurde er schon mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet, zuletzt für die Produktion des Albums "La fin du monde" (2007) von Michel Flaubert.

"Cœurs" erscheint in Deutschland nun sogar noch vor der Veröffentlichung in Frankreich.

© Michael Frost, 29.06.2008

 


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