Um 
          dem Phänomen Moby auf die Spur zu kommen, bat der Musik-Express 
          in seiner Ausgabe vom Mai 2002 sogar einen Kunstexperten um Rat. Der 
          sollte Mobys Gemälde-Sammlung im Internet begutachten, Frage: "Ist 
          Moby ein Universal-Genie ?" 
          Gegenfrage: 
            Ist Moby überhaupt ein Genie ? Aus dem gleichen Anlass 
            hätte man einen Musikwissenschaftlicher zu Hilfe holen können: 
            nämlich um festzustellen, weshalb Mobys Kompositionen so gut 
            funktionieren und millionenfach verkauft werden, obwohl sie nach erstem 
            Eindruck so gar nicht das ansonsten marktgängige Angebot passen 
            wollen.
          Vielleicht 
            kommt man der Antwort näher, wenn man sich das Interview mit 
            Moby in der gleichen Ausgabe des zitierten Musik-Express durchliest. 
            O-Ton Moby: "Ich tue fast alles, damit meine Musik gehört 
            wird." 
          Und 
            genau so ist es. Moby hat seit der Punkwelle so ziemlich jede musikalische 
            Bewegung der letzten Jahre mitgemacht. Bekannt wurde er Anfang der 
            90er Jahre, als er sich im Techno versuchte. Seitdem sich die Musikwelt 
            jedoch mehr und mehr diversifiziert, eindeutige Trends also kaum noch 
            auszumachen sind, gibt auch Moby sich vielseitig. Die "18" 
            Stücke seines gleichnamigen Albums sind eine Sammlung unterschiedlicher 
            Stile wie Ambient, Triphop und Hiphop, House, Electro, Funk und Soul 
            - nichts und niemand entgeht Moby auf seinem Streifzug, und sein eigentliches 
            Genie - wenn man es so nennen will - liegt darin, diese völlig 
            unterschiedlichen Sounds so zusammenzufassen, dass sie zum Schluss 
            tatsächlich "wie aus einem Guss" klingen.
          Dabei 
            geht der Komponist und Soundbastler Moby wie ein Bildhauer vor: Wie 
            dieser seinem Granitblock mit schwerem Gerät zu Leibe rückt, 
            um Unförmigem eine Form zu geben, so sampelt auch Moby seinen 
            Ideen die Ecken und Kanten weg.
            
            Doch: 
            Was für den Bildhauer eine notwendige Tätigkeit ist, mit 
            der er für die Profilschärfe seines Materials sorgt, endet 
            bei Moby im Gegenteil: Musik, um ihre Kanten beraubt, eckt nicht mehr 
            an, es mangelt an Reibungsfläche, und dieses fehlendes Profil 
            verursacht Stromlinienförmigkeit. 
          Doch 
            damit wären wir wieder am Ausgangspunkt: Mobys Antrieb ist offenbar 
            weniger die Suche nach dem eigenen Ausdruck, sondern der Wunsch, von 
            möglichst vielen Menschen gehört zu werden, und dafür 
            tut er, wie bereits zitiert, "fast alles" - letztlich opfert 
            er dafür sogar die Musik selber: Sie gefällt, weil sie gefällig 
            ist. Zu gefällig, um genau zu sein.
          Bei 
            ihm gibt es keine wirklich aufwühlenden String-Arrangements, 
            keine bedrohlich wummernden Bassläufe, keine gegen den Takt laufenden 
            Breakbeats - und auch die leichten und sphärischen Popnummern 
            auf "18", darunter die Single "We are all made of stars" 
            oder "Signs of love" wissen nicht recht zu überzeugen, 
            kennt man dergleichen doch bereits vom "10000 hz legend"-Album 
            des französischen Duos AIR - nur besser, weil sie die Kanten 
            nicht schleiften und das Konzept in den Vordergrund stellen 
            - nicht den Effekt.
          Und 
            da rettet ihn auch keine Sinéad O'Connor, der er den Gesangspart 
            einer - immerhin - wundervollen Ballade antrug ("Harbour"), 
            eine sechsminütige Sternstunde des Albums, keine Angie Stone 
            und kein MC Lyte - und auch die Werbeindustrie, die nach Mobys Debüt 
            "Play" Schlange stand, um ihre Spots mit Liedern seines 
            Album unterlegen zu dürfen, wird sich wahrscheinlich nach anderen 
            Klangkünstlern umsehen, Télépopmusik aus Frankreich 
            vielleicht - denn der Zeitgeist ist ebenso unerbittlich wie unaufhaltsam. 
            Moby jedenfalls hat er schon überholt. 
          © 
            Michael Frost, 11.05.2002