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Die Entdeckung
der Langsamkeit


Wenn die australische Band Naked Raven ein Konzert in Berlin aufzeichnen lässt und den Mitschnitt anschließend auf einer DVD veröffentlicht, die den Titel "Home" - 'zu Hause' - trägt, ist das mehr als nur ein beiläufiges "Fishing for Compliments". Die Band tourte so häufig durch Deutschland, dass sie hier tatsächlich schon fast beheimatet ist, und in diesem Winter kehrten die Musiker erstmals nicht zu Plattenaufnahmen nach Melbourne zurück, sondern spielen ihr kommendes Studioalbum in den Traumton-Sudios ein - in Berlin.

So wirken der warme Empfang durch das Publikum und die intime Atmosphäre des mitgeschnittenen Konzerts fast schon wie ein heimisches Familientreffen, wobei: die Naked Raven-Familie wächst beständig an und die Orte der Zusammenkünfte werden immer größer.

Am 4. Mai 2005 hat sich die "Familie" in der anheimelnden Atmosphäre des Ballhaus Rixdorf versammelt, um dem akustischen Kammermusik-Pop der Band um Leadsängerin Janine Maunder zu lauschen, die mit ihren blond gefärbten Haaren wie eine australische Verwandte der Cranberries-Sängerin Dolores O'Rhiordan aussieht und manchmal auch stimmlich an die Irin erinnert.

Doch Janine Maunder ist keinesfalls die Kopie einer anderen Sängerin, und überhaupt kommt Naked Ravens wachsende Fangemeinde nicht von ungefähr: die Band hat über die Jahre einen eigenen, unverkennbaren Sound entwickelt, der von Janine Maunders Stimme getragen wird, begleitet von Klavier, Geige, Cello, Percussions und akustischer Gitarre - ein für die Popmusik ungewöhnliches Set, aus dem die Band mal sanfte und elegische, dann wieder drängende und spannungsgeladene Arrangements entwickelt, jenseits von Hektik und Schnelllebigkeit, dafür zeitlos, einfühlsam und mit einzigartigem Gespür für Details.

Auf "Home" präsentiert die Band in ihrer aktuellen Besetzung mit Janine Maunder (Gesang, Piano), Stephanie Lindner (Violine) und James Richmond (Schlagzeug, Percussions) einen Querschnitt der fünf bislang veröffentlichten Studioalben. Unterstützt werden sie von Anne Christin Schwarz (Cello) und Ben Edgar (Gitarre) sowie, exklusiv für den Auftritt in Berlin, von einem Streichquartett (Janine Maunder: "Ein Lebenstraum von mir").

Doch das beherrschende Instrument bei Naked Raven bleibt die Stille. Als würde die Zeit einfach angehalten, werden manche Klänge fast bis zur Unhörbarkeit ausgedehnt. Diese dramaturgisch perfekt gesetzten Pausen, etwa im Song "Saviour", elektrisieren die Spannung zwischen Band und Publikum, das auch hier ergriffen den Atem anzuhalten scheint, um keinen Ton zu verpassen. Selbst das Fallen einer Stecknadel wäre in diesen Momenten zu hören, in denen Maunder, Lindner und Richmond die Langsamkeit und das Innehalten für die Musik entdecken und sie als Elemente in ihre Arrangements integrieren.

Wer bereits einmal das Privileg hatte, Naked Raven live zu erleben und dem überwältigendem Charisma der Musiker und ihres Ausdrucks zu erliegen, wird begeistert sein, wie unverfälscht die intime Stimmung ihrer Show auf die DVD übertragen werden konnte. Dass diese über den Mitschnitt hinaus noch einige sehenswerte Extras enthält (u.a. ein Interview, Fotos, Kurzaufnahmen anderer Konzerte und den Videoclip zum Song "Someday"), ist fast überflüssig zu erwähnen, denn das Konzert selbst ist schon Material genug, bei dem es bei jedem Abspielen noch ein neues, bislang ungehörtes Detail zu entdecken gibt. So wie Janine Maunder gegen Ende des Konzerts selbst sagt: Der Abend sei so schnell vergangen, man werde einfach nochmal von vorn beginnen.

© Michael Frost, 27.01.2006

Naked Raven 2006 in Deutschland:
02.03. Bremen, Schlachthof
03.03. Marburg, KFZ
04.03. Wuppertal, Rex Theater
08.03. Köln, Stadtgarten
09.03. Karlsruhe, Tollhaus
10.03. Geislingen, Rätschenmühle
11.03. Markgröningen, Stadthalle
12.03. Leipzig, Moritzbastei
05.04. Erfurt, Gewerkschaftshaus
06.04. Frankfurt, Romanfabrik

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