Der
gebürtige Senegalese Youssou N'Dour ist ein Wanderer und Vermittler
zwischen zwei Welten: der seiner westafrikanischen Heimat sowie den
Kulturen Westeuropas, wo er erfolgreich ist wie kaum ein zweiter afrikanischer
Musiker. Youssou N'Dour hat Spagat zwischen den Traditionen immer
zum eigenen Nutzen zu wissen gewusst und versucht, sowohl seiner Heimat
und ihren musikalischen Wurzeln verbunden zu bleiben als auch europäische
Einflüsse in seine Sounds zu integrieren.
Mittlerweile
ist er dazu übergegangen, unterschiedliche Projekte, je nach
"Zielgruppe", zu verwirklichen. So veröffentlichte
er zuletzt "Ba Tay", ein Album, das hauptsächlich für
den afrikanischen Markt gedacht war (was allerdings keinen Europäer
davon abhalten sollte, auch diese Seite von Youssou N'Dour zu entdecken),
und jetzt hat er auch wieder ein "internationales" Album
vorgestellt.
Doch
"Nothing's in vain" ist nicht die vielleicht erwartete Fortsetzung
seiner früheren Alben "The guide" und "Joko",
die in wesentlichen Teilen sehr "europäisch", d.h.
sehr pop-orientiert waren und ihm entsprechende Berühmtheit verschafften
(unvergessen sein Duo mit Neneh Cherry "7 seconds").
Zwar
verfügt auch "Nothing's in vain" über eine reiche
Vielfalt eingängiger und mitreißender Rhythmen, doch dieser
Reichtum ist eindeutig afrikanischer Herkunft: Dort, in Senegals Hauptstadt
Dakar, wurde das Album auch aufgenommen. Youssou N'Dour lässt
sich fast ausschließlich von akustischen Instrumenten begleiten,
darunter nicht eben wenige, die aus Westafrika oder speziell aus dem
Senegal stammen (z.B. "Balafon", ein westafrikanisches Xylophon,
Percussions, "Kora", eine 21-saitige Harfe, "Riti",
eine 1-saitige senegalesische Geige).
Dagegen
wird auf Keyboards und programmierte Sounds weitgehend verzichtet,
ebenso übrigens wie auf die englische Sprache, die noch auf "Joko"
vorherrschte. Auf "Nothing's in vain" singt Youssou N'Dour
neben einigen französischen Titeln wieder hauptsächlich
in Wolof, der wichtigsten Sprache des Senegal.
Und
noch eine weitere Überraschung gibt es auf dem Album: N'Dours
Fassung des Brassens/Aragon-Klassikers "Il n'y a pas d'amour
heureux". Das Chanson war kürzlich noch in einer kapriziösen
Version der Schauspielerin Danielle Darieux in dem Film "8 Frauen"
zu hören. Youssou N'Dour verwandelt die Ballade mit dem traurigen
Text ("Es gibt keine glückliche Liebe") mit lässiger
Eleganz in einen sanft wiegenden Tanzrhythmus, bei dem ihm die gewaltige
Percussiongruppe von Doudou Ndiaye Rose zur Seite steht, die neben
eigenen Projekten auch schon so manchen Peter Gabriel-Song veredelte.
Die
einzigen "wirklichen" Pop-Songs auf "Nothing's in vain"
das mehrsprachige Duett "So many men" mit Duett-Partner
Pascal Obisco (bereits als Single-Auskopplung veröffentlicht)
und eine fast schon obligatorische Abschluss-Hymne, in diesem Fall
heißt sie "Africa, dream again".
Youssou
N'Dour bestätigt nicht nur in diesem Titel den politischen Charakter
seiner Musik. "La femme est l'avenir de l'amour" heißt
ein weiterer Song ("Die Frau ist die Zukunft der Liebe").
Dort singt er: "Sie tragen keine Waffen, keine Orden, sie vergießen
so viele Tränen über unsere Schlachten, aber keinen einzigen
Tropfen Blut ...".
Was
textlich zunächst charmant und etwas naiv anmutet, ist in Wahrheit
eine der wichtigsten Einschätzungen auch internationaler Hilfsorganisationen,
Politologen und Sozialwissenschaftler, die besagt, dass aufgrund der
vielfachen Verstrickung der Männer in Krieg, Gewalt und Korruption
nur die Stärkung der Rolle der Frauen in den afrikanischen Gesellschaften
langfristige Perspektiven für Stabilität, Frieden und Demokratie
eröffnen. Insofern erfüllen seine Lieder eine nicht zu unterschätzende
politische Mission, die letztlich wichtiger ist als die Musik selbst.
Und
auch ein weiteres Thema liegt ihm am Herzen: Das Coverfoto zeigt drei
Fußball spielende Kinder auf staubiger Straße inmitten
einer zerstörten Umgebung. Das Foto stammt von dem Pressefotografen
Marco di Lauro. Aufgenommen wurde es in der Altstadt von Kabul, Afghanistan.
Youssou N'Dour ist ein Wanderer zwischen den Welten.
©
Michael Frost, 26. Oktober 2002