Er
ist kein unbeschriebenes Blatt: Der Name Gary Numan dürfte vielen
ein Begriff sein, schließlich ist der Mann seit über 20 Jahren im
Geschäft. Ende der 70er setzte sich der Ex-Punk in den Kopf, ein Synthie-Star
zu werden und veröffentlicht seitdem in unregelmäßigen Abständen mehr
oder weniger erfolgreich Alben. Während nun seine letzten Platten
den Geschmack einer eher kleinen Gemeinde trafen, ist das neueste
Werk "Pure" in aller Munde.
Niemand
glaubte daran, daß in einer Zeit, in der der Punk und "Anarchy in
the UK" großgeschrieben wurden, Elektrosound eine Chance in den Charts
hätte. Doch mit dem 1978 erschienenen Album "Tubeway Army" kreierte
Gary Numan einen erfrischend anderen Stil. Was das Debutalbum noch
nicht schaffte, gelang dem innerhalb von nur drei Tagen eingespielten
Nachfolger "Replicas": Die fremdartig und voll synthetisch klingende
Singleauskopplung "Are Friends Electric" kämpfte sich bis an die Pole
Position der Charts und bei seinem daraufhin folgenden Auftritt in
der Kultsendung "Top Of The Pops" trieb Numan das Wave-Posing auf
die Spitze.
Fortan
lebte der Londoner als umjubelter Star auf großem Fuß mit Ferrari
und Privatjet und brachte ab 1985 jährlich mindestens ein Album auf
den Markt. Die allerdings konnten nur selten an die Erfolge ihrer
Vorgänger anknüpfen und tummelten sich ausschließlich in den Niederungen
der Charts. 1992 hielt Gary Numan dann für seinen künstlerischen Tiefpunkt
- schließlich konnte er nicht ahnen, daß er bereits drei Jahre später
zum Kult-Act avancieren würde. Künstler wie Weezer, Beck, die Smashing
Pumpkins und sogar Marilyn Manson coverten Numan-Songs für ihre Liveshows
und Remixes seiner Tracks placierten sich in den TopTen.
Vor
drei Jahren brachte Beggars Banquet dann "Random" heraus, eine Platte
mit 26-Numan-Nummern, aufbereitet und interpretiert von Stars wie
Moloko und Damon Albarn. Und heute? Heute gibt es "Pure". 55 Minuten
Musik vom Feinsten. Düster, dunkel, laut und rockig und ganz klar
inspiriert von seiner Arbeit der letzten zwei Jahre. Man meint, Marilyn
Manson und die Nine Inch Nails heraus zu hören, aber vordergründig
ist es zweifellos Gary Numan, der wieder einmal ein vielschichtiges
und experimentell neues Werk abliefert.
Balladeske
Schönheit gemischt mit Industrial-Klängen, Härte gemischt mit Melancholie.
Numan singt sich mit weicher Stimme durch laute Crossover-Riffs, bricht
bevor die Stimmung zu tragisch wird die Atmosphäre wieder mit Loops
und Breaks, um nach einem brachialen Zwischenspiel wieder zurück zu
den leisen Tönen zu finden. "Pure" ist weit weg von der kalten Elektronik
der vergangenen Tage, verzerrte Post-Punk-Gitarren spielen eine ebenso
tragende Rolle wie der Synthesizer.
Teils
autobiographisches ("A Prayer For The Unborn" schrieb Numan für seine
verstorbene Tochter), aber stets eine verzweifelte Endzeit- Stimmung
widerspiegelndes Textmaterial, gibt dem Album einen vollkommen eigenständigen
Esprit, der mit mehrmaligem Hören immer tiefer unter die Haut geht.
"Pure"
ist ein grandioses Album, das nicht nur alte Waver hinter dem Ofen
hervorlocken, sondern auch Fans des neuen Metal begeistern wird. Unnahbar,
elektronisch und absolut hörenswert. Da sage noch einmal jemand, Comebacks
könnten nicht gelingen.
"Gary
Numan: Pure" ist eine Gast-Kritik
von Inga Stumpf / März 2001
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