Sie 
          war schon immer ungemein wandlungsfähig und präsentierte mit 
          jedem neuen Album auch einen neuen Sound: Lisa Bassenge. Ob mit dem 
          Jazz-Trio, das ihren Namen trägt und dem sie die Stimme lieh, ob 
          solo, mit Coverversionen von Hildegard Knef bis The Cure - die Berliner 
          liebt das Unerwartete, und so weiß man nie, mit welcher Idee sie 
          im nächsten Moment aufwartet.  
          Nun 
            hat sie ein weiteres Mal Lippenstift aufgetragen, die Nylons angezogen 
            - und kopfüber geht es in die (Berliner) Nacht, in die Clubszene 
            der Hauptstadt, zur blue hour, und sie bringt nach eigenem Bekunden 
            "Romantik" in den deutschen Pop. 
          Ein 
            solcher Versuch könnte anderenorts als Schlager enden. Doch Nylon, 
            so der Bandname des Projekts von Lisa Bassenge (Gesang), Paul Weber 
            (Bass), Sebastian Demmin (Tasten) und Arnold Kasar (Synthesizer) umschifft 
            alle Klippen von Kitsch und Kleinkunst. 
          Mit 
            kühl und distanziert wirkendem Digital-Sound formuliert das Quartett 
            mit seinem neuen Produzenten Samon Kawamura eine in der deutschen 
            Musik bislang unbekannte Ästhetik aus entspanntem Loungegefühl, 
            hintergründiger Anspannung und kühler Erotik, erzeugt durch 
            das Zusammentreffen von Cool Jazz, Chanson, Ambient, Triphop und Electronica.
          In 
            den 10 Liedern über Liebe', so der Titel des inzwischen 
            dritten Nylon-Albums, reimt sich nicht Herz auf Schmerz, sondern Nylon 
            auf Neon, atmosphärisch herausragend in Szene gesetzt, textlich 
            auf hohem Niveau, und zwar gleichermaßen die eigenen Songs als 
            auch die Auswahl der Coverversionen, darunter "Der Mond hatte 
            frei" von Hildegard Knef, Marlene Dietrichs "In den Kasernen", 
            drei Stücke, die Manfred Krug noch zu DDR-Zeiten gesungen hatte, 
            sowie ein Stück von Carole King, das Lisa Bassenge selbst ins 
            Deutsche übersetzte ("So weit, so weit"). 
          Dass 
            Nylon trotz des betont kühlen Sounds unter die Haut gehen, spricht 
            nicht nur für die ausgeklügelten Arrangements, sondern vor 
            allem für die stimmlichen Fähigkeiten von Lisa Bassenge, 
            die der deutschen Sprache eine Weichheit und Sensitivität abringt, 
            die ihr im internationalen Vergleich mit Englisch oder Französisch 
            immer wieder abgesprochen wurde. Doch auch das heimische Publikum 
            muss erst wieder an die eigene Sprache in der Musik gewöhnt werden, 
            zumal in einem Genre, das hierzulande leider nur an verschüttete 
            Traditionen anknüpfen kann. 
            
          © 
            Michael Frost, 08.09.2007