Der 
          Erfolg des französisch-argentinischen Gotan Project war zu durchschlagend, 
          um als Solitär in die Musikgeschichte einzugehen. Es ist die "Rache 
          des Tango" - la revancha del tango - die Rückkehr eines als 
          antiquiert und vorgestrig geglaubten Tanzstils, der, seines ursprünglichen, 
          obsessiven sexuellen Charakters beraubt, bei Tanzturnieren noch nicht 
          einmal mehr zu dem lateinamerikanischen, sondern zum betulicheren "Standard"-Repertoire 
          gerechnet wurde.  
          Doch 
            seit Gotan Project ist der Tango wieder en vogue. Vor allem natürlich 
            in Buenos Aires, aber auch in Barcelona, Paris und im Tango-verrückten 
            Finnland, tut sich der selten gewordene Bandoneon-Nachwuchs gern mit 
            Computermusikern zusammen, sampelt die Klassiker des Genres von Gardel 
            bis Piazzolla und entwickelt daraus ein aktuelles Tango-Konzept.
          So 
            funktioniert auch das argentinische Electrotango-Projekt "Otros 
            Aires". 2003 traten die Musiker um ihren Bandleader Miguel di 
            Genova erstmals in Barcelona live auf, mittlerweile liegt bereits 
            ihr zweites Album vor: "Dos". Di Genova (Gesang, Gitarre, 
            Programmierung), Omar Massa (Bandoneon), Diego Ramos (Klavier) und 
            Manu Mayol (Schlagzeug, Percussions) stellen darauf den traditionellen 
            Tango in den Vordergrund. 
          Sie 
            arbeiten mit Samples historischer Vorlagen (eingebaut wurden Aufnahmen, 
            die bis in die 1920er Jahre zurückreichen), und immer wieder 
            sind die alten Einspielungen Grundlage und Ausgangspunkt der eigenen 
            Kompositionen. Oder aber sie geraten zur Hommage, wie "La yumba" 
            des legendären Tango-Komponisten und Orchesterleiters Osvaldo 
            Pugliese. Teile der Originalaufnahme von 1950 werden geschickt mit 
            der Neueinspielung von Otros Aires verwoben, bis Original und Neubearbeitung 
            fast unmerklich ineinander übergehen. 
          Otros 
            Aires achten behutsam und mit Liebe zum Detail darauf, dass der ursprüngliche 
            Charakter des Tango nicht verfälscht wird. Der Computer dient 
            ihnen lediglich als Instrument zur Modernisierung des Sounds und seiner 
            Effekte, übernimmt aber selbst keine Ton angebende Rolle. Dadurch 
            bleibt der originäre Eindruck von Bandoneon, Gesang und Rhythmus 
            erhalten, ohne dabei in die Falle allzu gleichförmigen, weich 
            gezeichneten Lounge-Sounds zu tappen. 
            
          © 
            Michael Frost, 11.05.2007