Ihre 
            Lieder hinterlassen eine Spur tiefer Melancholie: Madeleine Peyroux. 
            Auch wenn sie selbst sagt, ihr neues Album trage eine "freudige 
            Grundstimmung" in sich. Freudig insofern, als Madeleine Peyroux 
            erneut zeigt, wie sehr sie mit ihrer Songauswahl verschmilzt. Sie 
            covert nicht, sie nimmt in Besitz - ein viel zitierter, und auch für 
            "Half the perfect world" geltender Satz. 
          Es 
            ist ihr drittes Album, nach "Dreamland", ihrem Debüt 
            von 1996, von dem man lange glaubte, es würde als Solitär 
            stehen bleiben - bis 2004 endlich das ersehnte Zweitwerk "Careless 
            love" erschien und sich die Kritiker erneut vor Begeisterung 
            überschlugen. 
          Madeleine 
            Peyroux trägt den Blues in die Gegenwart. Ihre in sich gekehrte, 
            dunkle und hintersinnige Stimme, deren Timbre so sehr an Billie Holiday 
            erinnert, wärmt die Seele, hinterlässt aber immer auch eine 
            Lücke, einen kleinen Stich, eben die erwähnte Spur tiefer 
            Melancholie. Darin unterscheidet sie sich nicht von einem ihrer Idole: 
            Charlie Chaplin. Auch in seinen Filmen waren Komik und Tragik nur 
            die untrennbaren Seiten derselben Medaille. 
          Auch 
            "Half the perfect world" enthält wieder die schon bewährte 
            Mischung eigener Kompositionen und ausgewählter Klassiker, u.a. 
            auch von Charlie Chaplin ("Smile") und zwei Titel von Leonard 
            Cohen (der Titelsong sowie "Blue alert"), Tom Waits' "The 
            heart of saturday night" - mit Till Brönner an der Trompete, 
            der sich mit diesem Beitrag für Peyroux' Gesangspart auf seinem 
            aktuellen Album "Oceana" revanchiert. 
          Mit 
            Brönner teilt Madeleine Peyroux auch die meisten Instrumentalisten: 
            Larry Goldings (p), Dean Parks (git), David Piltch (b) und Jay Bellerose 
            (dr) gehören auch zu ihrem Stamm-Ensemble. Gemeinsam mit der 
            Country-Sängerin K.D. Lang gibt Madeleine Peyroux eine stimmungsvolle 
            Hommage an ihrer beider Vorbild Joni Mitchell, deren Ex-Mann Larry 
            Klein das Album (wie schon vorher "Careless love" und auch 
            Brönners "Oceana") übrigens produzierte. 
          Aus 
            dem Rahmen fällt lediglich die Coverversion von Gainsbourgs "Javanaise", 
            französisch gesungen und von einem Streichquartett begleitet: 
            Hier verlässt Peyroux den Blues-Keller und taucht ein in die 
            Welt mondäner Salonmusik, elegant und spektakulär - und 
            doch sind beide Umgebungen Ausdruck einer vergangenen Zeit, die sie 
            für die Gegenwart bewahren möchte. 
          Nach 
            der Standortbestimmung ihrer bisherigen drei Alben, mit denen sie 
            ihren Idolen die Referenz erwies, scheint es nun an der Zeit, dass 
            Madeleine Peyroux einen Schritt weiter geht, um selbst zum Idol werden 
            zu können. Sie hat den Blues gerettet, doch was fängt Madeleine 
            Peyroux jetzt damit an? Konservieren wäre fatal, denn dieses 
            Verfahren schützt nur totes Material, doch ihr geht es ja darum, 
            die Lebendigkeit des Blues zu beweisen. 
          Deshalb 
            ist ihr drittes Album das erwartete "Meisterwerk", das in 
            eine neue Richtung weist, noch nicht: eben nur "Half the perfect 
            world" - allemal aber ein atmosphärisches, behutsam instrumentiertes 
            und mit sensiblem Gespür intertretiertes Bluesalbum. 
          
            
          © 
            Michael Frost, 01. September 2006