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Ein großes Versprechen

 

Schon das erste Stück ist ein großes Versprechen: Da taucht ein treibender Riff auf, eine jener stets wiederkehrenden melodisch-rhythmisch markanten Wendungen, die sofort ins Ohr gehen, die hier an minimalistische Figuren von Philipp Glass erinnern, und wenn sie die ganze Aufmerksamkeit eingefordert haben, legt sich über Bass, Percussions und Drums eine merkwürdig gequetschte, helle Saxofonstimme darüber, die das ganze musikalische Gebilde zum Abheben bringt, zu einem geradezu hypnotischen Kollektivsound, der so frisch und direkt daherkommt, dass man ahnt: Hier sind ganz junge Musiker unterwegs.

„Isla“ heißt die CD des Portico Quartett, das sind vier Londoner Freunde, Musiker um die 20, die bisher europaweit auf Straßen und in ungewöhnlichen Räumen aufgetreten sind, in Kirchen und Galerien zum Beispiel. John Leckie, Produzent und Förderer junger Bands (Stone Roses, Radiohead, Muse) hat jetzt ein Album mit diesen Londoner Neutönern veröffentlicht, dessen 9 Tracks wie aus einem Guss klingen, tatsächlich wurden sie live im Abbey Road Studio 2 aufgenommen.

Das erinnert in seiner sympathischen Frische an Sound-Fusionen der 60-er Jahre, an Soft Machine, an John McLaughlins Mahavishnu Orchester, an East of Eden. Jack Wyllie (Saxophon und Elektronik), Milo Fitzpatrick (Kontrabass), Nick Mulvey (Hang – ein melodisches Schlaginstrument sowie Percussion) und Duncan Bellamy (Schlagzeug) entwickeln eine Klanglandschaft, die ebenso psychodelisch eingefärbt wie irdisch klar strukturiert ist, die unbekümmert um alle Schubladen Jazz und Pop und Weltmusikeinflüsse in sich aufgenommen hat.

Diese Melange ist kein unentschiedenes Hin- und Her, im Gegenteil: Das betörend schöne Klangbild des Portico Quartett, die kräftig groovenden Tempi, die blühend wilden Improvisationen des Saxophons künden von einer ausgelassenen Spielfreude, die von den strengen Regeln der Ostinati, der Loops, der wiederkehrenden kleinen Melodiefragmente, kaum in Schach gehalten wird.

Diese Musik klingt in allen ihren Poren nach Aufbruch, als wollten hier einige Jugendliche zeigen, wie sie dem alt gewordenen Jazz und den nostalgischen Sixties neues Leben einhauchen. Das wäre etwa das, was Anfang der 60-er Jahre vier andere Engländer mit der alt gewordenen Rockmusik gemacht haben. Sind die vier Jungs des Portico Quartett die Beatles eines neues Zeitalters, die die alten Formen ablösen und zu einem neuen Genre verschmelzen?

„Paper Scissors Stone“, der hinreißende und wirklich ohrwürmige Opener dieses musikalischen Schmeltigels, kommt wie eine Ouvertüre daher, als würde hier soeben eine neue Zeit anbrechen, die alles Vorherige in sich aufhebt.

© Hans Happel, 02.05.2010


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