Ein 
            Coveralbum mit Abba-Songs - nicht eben eine neue Idee. Zahllose mehr 
            oder weniger berufene Musiker versuchten sich an den ebenso zeit- 
            wie makellosen Popharmonien der schwedischen Megastars, deren Platten/CDs 
            sich auch 25 Jahre nach der Auflösung noch so gut verkaufen wie 
            zu Zeiten ihrer großen Erfolge von "Waterloo" bis 
            "Super trouper". 
          Also 
            ist auch die Ankündigung des finnischen A capella-Sextetts Rajaton, 
            gemeinsam mit dem Symphonieorchester von Lahti ein Abba-Album zu veröffentlichen, 
            keine wirkliche Neuigkeit. Schon die schwedische Real Group, ebenfalls 
            eine A capella-Band, hatte vor einigen Jahren "Dancing queen" 
            neu eingesungen und dafür sogar Ex-Abba-Sängerin Annifrid 
            Lyngstad als Gastinterpretin ihres eigenen Songs gewinnen können. 
            
          Nun 
            stellen sich also Rajaton der Herausforderung. Abba hatten die Stimmen 
            ihrer beiden Sängerinnen oft bis zu sechzehn Mal übereinander 
            gemischt, um exakt den vollen Sound zu erreichen, der bis heute unverwechselbares 
            Markenzeichen des typischen Abba-Klangs ist. Die Rajaton-Sängerinnen 
            und Sänger kommen diesem Original immer wieder erstaunlich nahe, 
            was als unbedingter Beweis ihrer herausragenden gesanglichen Qualität 
            gelten muss. 
          Und 
            auch das Orchester unter der musikalischen Leitung von Osmo Vänskä 
            leistet Großes. An einigen Stellen eröffnet es tatsächlich 
            neue Variationen der Popsongs, die in Europa beinahe jeder - vom Kind 
            bis zur Großmutter - mitsingen kann, obwohl - oder weil - es 
            überwiegend den Originalarrangements  folgt. Besonders erhaben 
            wirkt es, wenn das Orchester die im Original durch Synthesizer produzierten 
            Klänge durch akustische Instrumente ersetzt, etwa in "Gimme! 
            Gimme! Gimme! oder "Thank you for the music", das durch 
            die symphonische Begleitung vollends zur Hymne gerät. 
          Doch 
            die oft fehlende Distanz zum Original wird den Coversongs zum Schuh: 
            Wenn sowieso alles fast so klingt wie die Vorlagen, weshalb brauchte 
            es dann diese Neuaufnahme? Und so wird "Rajaton sings Abba" 
            eigentlich immer dann besonders spannend, wenn mit dem Original gebrochen 
            wird. Das gelingt bei den reinen A capella-Versionen teils überzeugend 
            ("Voulez-vous", "Head over heals"), teils witzig-komisch 
            ("Fernando"). Hier offenbaren die sechs Finnen ihre ganze 
            Vokalkunst, denn ihre Stimmen produzieren nicht nur den Gesang, sondern 
            imitieren auch die Instrumente - und schon dient die berühmte 
            Vorlage nicht länger als Abziehbild, sondern verwandelt sich 
            in einen eigenständigen, weil neu interpretierten Song. 
          Trotz 
            offen bleibender Fragen: In Finnland liebt man diese CD. Sie schoss 
            sofort nach der Veröffentlichung an die Spitze der Charts und 
            bescherte Rajaton eine Nominierung für den wichtigsten finnischen 
            Musikpreis Emma. So gehört dieses Album sicherlich zu den besten 
            Abba-Cover-Alben überhaupt. 
          Doch 
            gerade weil Rajaton im Gegensatz zu vielen anderen gut genug sind, 
            es mit den Originalen aufzunehmen, hätte man sich etwas weniger 
            Respekt, und dafür mehr Mut, Frei- und Frechheit im Umgang mit 
            den Säulenheiligen der Popmusik gewünscht. 
          © 
            Michael Frost, 02.04.2007