Eigentlich 
          kann es gar nicht wahr sein: R.E.M. spielen nun seit 27 Jahren in der 
          Champions-League der Rockmusik, und dennoch gibt es von der Band kein 
          einziges offizielles Live-Album. Dabei besteht an veröffentlichungsfähigem 
          Material sicher kein Mangel: So rast- und ruhelos tourte die Band gerade 
          in ihren Anfangsjahren, vor allem in den USA (zu Beginn übrigens 
          noch als Support für The Police), dass man später immer wieder 
          Erholungspausen einlegen musste. Seit vielen Jahren gehört das 
          Trio zu den erfolgreichsten Live-Acts überhaupt: R.E.M. füllen 
          weltweit Fußballstadien, und bei Festivals steht ihr Name selbstverständlich 
          ganz oben auf dem Plakat.  
          Jetzt 
            allerdings haben Michael Stipe, Peter Buck und Mike Mills die Lücke 
            gefüllt und dafür gleich in die Vollen gegriffen: "R.E.M. 
            live" ist eine opulente Veröffentlichung, die aus zwei CDs 
            und einer DVD besteht - akustisch wie visuell ein Hochgenuss. Aufgenommen 
            wurden zwei Konzerte im Februar 2005 im "Point Depot" in 
            Dublin. 
          Man 
            sieht Michael Stipe, den schillernden Bandsänger mit der dunklen 
            Augenbemalung, die er seit einigen Jahren für seine Konzerte 
            auflegt, eine Bühnenshow, die einerseits mit zeitgemäßer 
            Optik arbeitet, andererseits aber von der Musik nicht ablenkt, und 
            man erlebt knapp zwei Dutzend Songfavoriten aus nahezu drei Jahrzehnten, 
            angefangen von "I took your name" bis zum letzten encore, 
            "The man on the moon", neben "Losing my religion" 
            und "Everybody hurts" einer der größten Hits 
            der Bandgeschichte.
          Selbstverständlich 
            gehören auch die anderen beiden Songs zur Dubliner Setlist, die 
            überhaupt kaum Wünsche offen lässt, auch wenn eingefleischte 
            Fans ihr ganz persönliches Lieblingslied womöglich vermissen 
            mögen - immerhin haben R.E.M. bis heute dreizehn Studioalben 
            mit weit über einhundert Songs veröffentlicht. "Live", 
            sagte Stipe in einem Interview, "spielen wir die Sachen, auf 
            die wir Lust haben" (Berliner 
            Zeitung, 15.02.05), und besonders gern trägt Stipe inzwischen 
            politische Songs wie "I wanted to be wrong" oder "Final 
            straw" vor, die sich direkt und deutlich gegen die Politik der 
            US-Regierung richten. 
          R.E.M. 
            starteten ihre Karriere in den 80er Jahren im US-Bundesstaat Georgia, 
            doch inzwischen sind sie in Europa mindestens so erfolgreich wie in 
            den USA. Dublin sei "für einige Bandmitglieder schon seit 
            Jahren eine zweite Heimat" (Pressetext), dort entstehe derzeit 
            auch Studioalbum Nummer 14, und so darf der Auftritt im "Point 
            Depot" getrost als Heimspiel bezeichnet werden: die Beziehung 
            zwischen Band und Publikum wirkt geradezu familiär. 
          Als 
            Trio haben R.E.M. dabei noch nicht einmal viele Möglichkeiten, 
            ihren Sound zu variieren, und dennoch halten sich die drei zusätzlich 
            engagierten Musiker (Scott McCaughey, Ken Stringfellos, Bill Rieflin) 
            dezent im Hintergrund. So entfaltet sich der bandtypische Sound aus 
            Rock, Grunge, Pop, Folk und Country - betont schlicht und unauffällig 
            (dass man einen Wurm im Ohr hat, merkt man meist erst hinterher), 
            einzig Michael Stipes Charisma ist allgegenwärtig, und die Fans 
            liegen ihm naturgemäß zu Füßen. Gut, dass diese 
            magischen Momente nun endlich für eine Live-Veröffentlichung 
            der Band festgehalten wurden.
          
          © 
            Michael Frost, 20.10.2007