Ist 
                    die Idee nur verrückt oder vermessen? Da meldet sich 
                    ein deutscher Jazz-Musiker mit einer klassischen Klaviertrio-Formation 
                    zu Wort. Anders gesagt: Florian Ross greift zu den Sternen. 
                    Sein Werk nennt er ganz vorsichtig "Blinds and Shades". 
                    
                  Der 
                    Kölner Pianist, Komponist und Arrangeur legt mit seiner 
                    neuen CD schon die vierte Scheibe vor - nach drei Arbeiten 
                    für Quintett, String Orchestra und Brass Ensemble (1998 
                    - 2001 auf Naxos-Jazz). 
                  Die 
                    Trio-Formation - Piano, Bass und Drums - gehört zu dem 
                    schwierigsten in der Geschichte des Modern Jazz, und wer sich 
                    darin versucht, wird sich messen lassen müssen mit all 
                    den großen Pianisten, die dieses Genre gepflegt und 
                    entwickelt haben, darunter nicht zuletzt Bill Evans, dessen 
                    Trio der tschechische Bassist Miroslav Vitous "das unglaublichste 
                    Trio aller Zeiten" genannt hat, weil Evans die Kommunikation 
                    zwischen den Musikern ganz in den Mittelpunkt gestellt habe. 
                    
                  Florian 
                    Ross, 31 Jahre alt, in Köln, London und New York ausgebildet, 
                    weiß um diese Bürde. Vielleicht ist gerade deshalb 
                    Bescheidenheit nicht seine Stärke. Er lässt sich 
                    auf dem Cover seiner neuen CD von dem Kollegen Jim McNeely 
                    bescheinigen, dass mit seinen Aufnahmen das Jazz-Trio "a 
                    giant step forward" mache. 
                  Die 
                    Homepage von Florian Ross kündigt das jetzt veröffentlichte 
                    Album mit dem Hinweis an, man dürfe kein "Standard-Trio 
                    a la Bill Evans" erwarten. Was für ein großes 
                    Ziel es ist, an die Magie des Pianospiels von Bill Evans heranzukommen, 
                    wird dem souveränen Pianisten Florian Ross bewusst sein. 
                    Offenbar muss er sich an demjenigen reiben, dessen faszinierende 
                    Einfachheit, Leichtigkeit und Intimität ihm selber zum 
                    Vorbild wird. Und das macht ihn zu etwas Besonderem in der 
                    derzeitigen Jazz-Landschaft: Florian Ross verbindet kühles 
                    technisches Können mit einem hohen Grad an Sensibilität. 
                    
                  Er 
                    hat 9 der insgesamt 10 Titel komponiert und beweist darin, 
                    dass er tief in die Jazz-Geschichte eingetaucht ist, er bevorzugt 
                    einen fließend eleganten Stil, in dem verspielt parlierende 
                    Improvisationen auf schlichte und eingängige "simple 
                    tunes" nie zum überflüssigen Ornament werden, 
                    er liebt die Tempowechsel, die Wechsel der Klangfarben, auch 
                    die klaren Schnitte zwischen Haupt- und Nebenthemen, und er 
                    reagiert sehr sensibel - darin Bill Evans ähnlich - auf 
                    seine Mitspieler: Das ist zuallererst der in Virtuosität 
                    und Spielfreude herausragende Bassmann Remi Vignolo (Paris), 
                    dem Florian Ross viel Raum lässt, um sich immer wieder 
                    in langen Soli nach vorn zu spielen, mit aufregend geläufigen 
                    Improvisationen, die das Piano mit leisen Riffs oder Akkordtupfern 
                    unterstützt. 
                  Die 
                    schöne Transparenz dieses Duos wird von den Schlagzeugern 
                    John Hollenbeck und Martijn Vink (in drei Stücken) mit 
                    ihrer diskreten Percussion-Arbeit niemals verdickt, sondern 
                    sorgfältig hervorgehoben. 
                  Nicht 
                    nur die drei Live-Aufnahmen (für den Deutschlandfunk 
                    im September 2002), auch die Studioaufnahmen (im Kleinen Sendesaal 
                    des WDR, Köln, aufgenommen im Januar 2002) sind von der 
                    Unmittelbarkeit des Live-Spiels geprägt. Der Komponist 
                    Ross arbeitet mit eingängigen Melodien, die er aufbricht, 
                    zerlegt oder thematisch weiterführt, um sie am Ende wieder 
                    in kleinen und klaren Formen einzuholen. 
                  Es 
                    liegt durchgängig eine leise Melancholie - keine "Grande 
                    Tristesse" -, wie ein Titel des Albums heißt -, 
                    in seiner Musik. Wie klug Florian Ross als Arrangeur mit einem 
                    Standard umgehen kann, zeigt er an "Bye Bye Blackbird". 
                    Es ist keine Kleinigkeit, einem der meistgespielten klassischen 
                    Jazz-Titel nicht nur Neues abzugewinnen, sondern auch das 
                    Vertraute hörbar zu machen, d.h. die Vorlage nicht zu 
                    verletzen. Ross verfremdet das Thema und nähert sich 
                    ihm aus der Ferne, bis er ihm immer näher kommt, bis 
                    er dem Bassisten das Wort erteilt, um sich schließlich 
                    wieder mit der disharmonisch verfremdeten Melodie zu verabschieden. 
                    
                  Wehmütig 
                    klingt das kurze "Goodbye" am Schluß mit einer 
                    sanft fallenden Akkordlinie als pointierter Ausklang. Natürlich 
                    ist das keinerlei Anspielung auf Bill Evans wundervolles "I 
                    will say Goodbye", und dennoch....was könnte von 
                    Florian Ross Besseres gesagt werden, als dass er an eine der 
                    besten Traditionen des Jazz anknüpft und eine fein ausbalancierte 
                    Kammermusik macht, die eines Tages das große Wort vom 
                    "giant step forward" rechtfertigt.