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Wurm ins Ohr gesetzt

 

Ob sie nun Lykke Li, The Concretes, Taken by Trees, Nina Kinert, Peter, Björn & John oder - noch irritierender - "I'm from Barcelona" heißen - nahezu jede schwedische Kreisstadt hat inzwischen nicht nur einen Stadt-Krimiautoren, sondern auch eine beherzt und unbekümmert aufspielende Indie-Popband mit dem Drang zur internationalen Karriere.

Das gilt auch für Skövde, die Heimat von Sambassadeur. Und wie nahezu all ihre Kollegen lebt auch diese Band vorzüglich davon, alles anders zu machen, als es internationale Plattenfirmen in ihren Standardanleitungen für Charterfolge vorschreiben würden.

Schon auf ihrem vorigen Album "Migration" zeigte die einer Studenten-WG entwachsene Band ihren Drang zum Umgekehrten. Für Rock ist ihr Sound zu nahe am Folk, für Pop zu weit entfernt von der Elektronik, für die Pose zu entfernt von der Pose. Man denkt manchmal an Abba, allerdings nicht an die großen Hits, sondern die Zeit davor, Anfang der 1970er Jahre, als das junge Quartett noch "Björn, Benny, Anna & Frida" hießt - womit es gut in die obige Aufzählung gepasst hätte und sich mit Liedern wie "People need Love" an die Flowerpower-Ära hängten.

Auch Sambassadeur lieben es blumig. Ihr Geang ist zart und zerbrechlich, doch ihre Arrangements sind geradezu grotesk aufgeblasen und scheinen bisweilen orchestrale Ausmaße einzunehmen - auch dies eine Anlehnung an den psychedelischen Sound der 60er und 70er Jahre.

"Luxuriös ausgestattet" (Pressetext) sei das, doch in Wahrheit ist das Vorgehen von Sambassadeur viel einfacher. Denn Luxus - in Schweden sowieso verpönt - wäre zu viel kalkulierter Habitus. Sambassadeur machen die Dinge einfach so, wie sie ihnen in den Sinn kommen, und wie sie es für richtig halten. So taucht hier eine Oboe auf, dort ein abba-esque überdrehtes Klavier, und wenn ihnen nach Geigen ist, engagieren sie eben ein Streicherensemble.

Andererseits kann es passieren, dass ein Song ausschließlich instrumental mit akustischer Gitarre gespielt wird. Auf schmückendes Beiwerk, auf besonders ausladende oder ausgefeilte Passagen wird bewusst verzichtet, und so bleiben neun knapp gehaltene, dabei ungemein verdichtete Songs übrig, die so schnell vorüber gehen, dass man erst deutlich später merkt, welcher Wurm einem da ins Ohr gesetzt wurde.

Doch bevor man das Verblüffende begreift, ist das Lied auch schon zu Ende, offenbar war alles gesungen und gespielt. Und ebenso überraschend und plötzlich endet das ganze Album, bereits nach einer knappen halben Stunde. Genauso unvermittelt wie diese Besprechung.

 

© Michael Frost, 21.03.2010

 


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