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Bereit für den ganz großen Auftritt

 

Als Amparo Sánchez, bis dato Frontfrau der spanischen Latin-Punkrock-Flamenco-Band "Amparanoia" die Auflösung ihrer bunten Truppe bekannt gab, um sich fortan eigenen Projekten zu widmen, war die Erwartung sicherlich nicht, dass sie ihren Musikstil grundlegend ändern würde. Denn schon zu Bandzeiten schien Amparo Sánchez die treibende Kraft zu sein, diejenige, die den musikalischen Takt angab und nicht unbedingt erkennen ließ, dass sie Ideen hatte, die sich in dieser Kombination nicht realisieren ließen.

Und doch ist es so: Amparo Sánchez sagt heute, sie sei auf der Suche nach einem "subtileren" Weg gewesen, das Publikum zu berühren - persönlicher sollte ihr Klang werden, und gemeint hatte sie vor allem den Klang ihrer Stimme. Als sie von John Covertino und Joey Burns (Calexico) nach Tucson eingeladen wurde, um dort im Calexico-Studio an ihrer Solo-Idee zu feilen, schien der richtige Moment gekommen. Ausgehend von der Stadt, in der sie "die richtige Stimmung für meine Stücke" fand, wie sie selbst sagt, wagte Amparo Sánchez weit in das US-amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet vor, sammelte Stimmen und Stimmungen auf, die mal an den Desert-Rock à la Calexico, mal an die mexikanische Songwriterin Lila Downs erinnern, manchmal aber auch noch weiter nach Lateinamerika vordringen.

Videolink: Amparo Sánchez "Corazon de la realidad" / www.amparosanchez.info

In Havanna begegnete Sánchez einer Legende des Buena Vista Social Club. Omara Portuondo, zwischenzeitlich 79 Jahre alt, die zuletzt im Duett mit dem napolitanischen Cantautore Joe Barbieri zu hören war, nahm mit Ampara Sánchez das berührende "La parrandita de las santas" auf - es ist nur einer der vielen Höhepunkte auf "Tucson-Habana", diesem Album, das sowohl Reisetagebuch als auch Standortbestimmung der eigentlich aus Andalusien stammenden Sängerin ist.

Die Reduktion auf klare Songstrukturen, die langsameren, dabei jedoch nicht weniger temperamentvollen und leidenschaftlichen Lieder heben vor allem das mediterrane Timbre ihrer Stimme hervor. Ebenso warm, trocken und erdig nehmen sich auch die Arrangements aus: Vor allem die klare Führung des Kontrabass sticht hervor (Jordi Mestres, Joey Burns), Covertinos Schlagzeug sorgt für den nötigen Druck. Je nach Rhythmus werden Banjo, Bläser oder Geige ergänzt, doch im Vordergrund bleibt immer nur Amparo Sánchez selbst.

So ist "Tucson-Habana" eine echte Überraschung: Wer erwartet hatte, die Sängerin würde nun allein fortsetzen, was sie vorher als Bandmitglied tat, sieht sich eines Besseren belehrt. Eher schon erlebt man, wie eine hitzige Multikulti-Sponti-Rebellin zu einer künstlerischen Visionärin herangereift ist, die auf der Grundlage ihrer reichen Erfahrung und ihres starken Charakters nun bereit scheint für den ganz großen Auftritt.


© Michael Frost, 28.03.2010

 


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