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Die zwei Pole Europas


Wenn Ihnen der Name von Rosa Balistreri schon einmal begegnet ist, dann ist das vermutlich das Verdienst der Sängerin Etta Scollo - oder Sie sind Sizilianer. Denn Rosa Balistreri war die berühmteste Sängerin der Insel an der Südspitze Italiens. Dort wurde sie 1927 geboren. Später entfloh sie den ärmlichen, von Kriminalität und Gewalt geprägten Verhältnissen, ließ sich in Florenz nieder. Doch später kam sie in ihre Heimat zurück: mit der Gitarre und zahllosen Liedern, die vom Heimweh und der Sehnsucht nach einem besseren Leben zeugen.

Den Sizilianern sang sie aus dem Herzen und wurde zur Stimme 'ihrer' Insel. So wurde sie zur sizilianischen Entsprechung der portugiesischen Fadista Amalia Rodrigues, aber auch mit Joan Baez wurde sie nicht zu Unrecht verglichen. Denn Rosa Balistreri verstand sich immer auch als politische Botschafterin, die den Opfern von Korruption, Erpressung und Gewalt ihre Stimme lieh und ihre Träume von Liebe und einem glücklichen Leben vertonte.

Rosa Balistreri starb 1990. Damals vollzogen sich die großen Umwälzungen im Osten Europas, aber auch auf Sizilien schien ein Wandel greifbar nahe. Bereits 1985 war der erklärte Mafiagegner Leoluca Orlando zum Bürgermeister von Palermo gewählt worden, und die später bei Bombenattentaten ermordeten Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino brachten um die 400 Mafia-Mitglieder vor Gericht.

Etta Scollo hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an Rosa Balestreri wach zu halten. Die Wahl-Hamburgerin kehrte nach Palermo zurück und spielte an drei Abenden begleitet vom Sinfonieorchester Siziliens die Lieder von Rosa Balestreri neu ein. Das daraus entstandene Album "Canta ro'" stellte sie anschließend auf einer internationalen Tournee vor, die sie mit unterschiedlichen Orchestern, aber zum Teil auch nur als Trio mit den Multiinstrumentalisten Frank Wulff und Hinrich Dageför aufführte.

Daraus erwuchs nun wiederum der Gedanke, die reduzierten, zum Teil sehr intimen Fassungen der Balestreri-canzoni, die den Originalen viel näher kommen als die orchestrierten Fassungen, auf einer weiteren CD zu veröffentlichen. "Canta ro' in trio" liegt nun vor, mit seiner liebevollen Ausstattung und dem ausführlichen Begleitheft fast ein Hör-Buch, und darüber hinaus ein Fest für Freunde der italienischen Musik. Etta Scollo und ihre Begleiter spielten die Lieder zum Teil mit für die sizilianische Musik typischen Instrumenten ein und nahm sie - wiederum live - an zwei Konzertabenden auf: in Berlin und in Gibellina auf Sizilien. "Diese zwei Pole Europas", schreibt Etta Scollo, "spiegeln meine Geschichte wieder." Diese zwei Pole, das könnten auch Rosa Ballestreri und Etta Scollo selbst sein. Zwei Sizilianerinnen, gemeinsam die berühmtesten Stimmen ihrer Heimat mit der gemeinsamen Hoffnung, dass "Sizilien eine nicht mehr isolierte Insel sei" (Scollo).

© Michael Frost, 06.05.2006

 


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