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Hommage an
den Sinti-Swing

von Hans Happel

Den „Soul Mood“ haben sie für sich gepachtet. Einen derart lässigen, flirrenden, leicht kratzigen, leicht verwischten Sound, der im besten Sinn nach Strasse klingt, muß man lange suchen: Mit dem SOUL MOOD SONG des Kontrabassisten Jean-Louis Rassinfosse eröffnen die Musiker um Jörg Seidels GIPSY JAZZ CONNEXION ihr neues Album, mit dem der Bremerhavener Gitarrist zu seinen musikalischen Anfängen zurückkehrt.

Zurück zum Sound und zu den Liedern Schnuckenack Reinhardts, denen er vor 30 Jahren zum erstenmal begegnete, als er die vielen begnadeten Musiker der großen Siniti-Gemeinde Bremerhavens kennen lernte. Damals hatte er so etwas wie seine Lebensaufgabe entdeckt: Die „Musik deutscher Zigeuner“ weiter zu tragen, sie zu pflegen und am Leben zu erhalten.

Er hatte später das Glück, selber mit einigen Großen der Zunft zu spielen. Sieben Jahre war er Mitglied im Quartett Wedeli Köhlers, danach sechs Jahre im Trio mit Martin Weiss. Mit seinem neuen Album führt Jörg Seidel fort, was er vor zwei Jahren mit den Freunden Jean-Louis Rassinfosse am Bass und Hajo Hoffmann (Violine) begonnen hatte. Eine Hommage an den Gipsy Swing, die nicht im Konventionellen steckenbleibt, sondern aus dem Swing den musikalischen Kern heraussvchält, sorgfältig und genussvoll.

DEDICATIONS nannte er das Album des EUROPEAN SWING TRIO. Den allzu großen Namen haben die drei abgelegt, nicht zuletzt deshalb, weil sie mit Ottorino Freier an der Rhythmusgitarre zum Quartett mutierten und mit dem Saxophonisten Frank Delle einen fünften Mann als Gast gewonnen haben. Das Ergebnis ist betörend schön, nicht weniger temporeich und verspielt als die Aufnahmen des Trios, aber noch abgeklärter, noch durchsichtiger, subtiler als das erste Album.

Da Jörg Seidel den Rhythmus nicht mehr mitschlagen muss, kann er sich erstmals ganz als Solo-Gitarrist entfalten und mit minutenlangen, filigran gehaltenen Improvisationen glänzen. Hajo Hoffmann ist ein wahrer Teufelsgeiger, ein Virtuose der Swing-Violine, der alle Tempi und Höhen beherrscht, der aber auch bremsen kann, der von rasanten Läufen in höchsten Lagen schlagartig in schleppende Tempi zurückfällt, um das Melos dieser Lieder zu betonen.

Die Gipsy Jazz Connexion swingt locker und schwerelos dahin, im Mittelpunkt steht bei aller Virtuosität ein Zusammenspiel, das die solistischen Linien zu einem wunderbar träge dahinfließenden Gewässer verbindet, einem Gewässer, in dem Frank Delle, Tenor-Saxophonist der NDR-BigBand, mit schnellen Läufen und kühnen, hardbop-geprägten Sprüngen für erfrischende Kältezufuhr sorgt.

Mit STUFFY von Coleman Hawkins erinnern die Musiker an einen der großen Saxophonisten und Komponisten des Swing, mit ihren Eigenkompositionen beweisen sie, dass sie das Lebensgefühl des Swing weiter tragen, mit ihrer Version des 20-er Jahre-Klassikers „Bei mir war es immer so schön“ erweisen sie Theo Mackeben alle Ehre.

SWINGTIME IN SPRINGTIME heißt ihr kongenial geschrammelter Django-Reinhardt-Titel, in dem Bassmann Rassinfosse aus der Reserve kommen darf. Das Album der GIPSY JAZZ CONNEXION ist Swingtime in Summertime, niemals lärmend, süffig oder selbstgefällig, sondern – im Gegenteil – sehr fein, zart, warm und weich. Jörg Seidel hat hier als Produzent und Bandgründer ein reifes, exzellentes Album vorgelegt.

© Hans Happel, Dezember 2007