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Wieder im Gleichgewicht


Er gehört zu den gefragtesten Musikproduzenten überhaupt, doch vor allem in Island führt schon seit Jahren kein weg an ihm und seinem "Greenhouse Studio" vorbei. Valgeir Sigurdsson richtete das Studio 1997 ein und produzierte dort vor allem die Musik anderer: Múm, Sigur Rós, Bonnie ‚Prince' Billie, und Björk.

Seit ihrem Soundtrack zu Lars von Triers Amerika-Epos "Dancer in the dark" dient Sigurdsson Björk als kongenialer Partner im Studio. Sein Einfluss auf ihren Sound, angefangen bei dem orchestralen Pathos der Filmmusik, dem intimen Album "Vespertine", dem archaischen A-cappella-Sound von "Medulla" bis zum nicht minder experimentellen Electro/Dance-Sound der aktuellen CD "Volta" kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Doch nun, so klingt es, hat Valgeir Sigurdsson sich eine Pause von der ungezügelten Schaffenskraft seiner berühmten Kollegin geleistet. Kein Inuit-Obertongsang, kein menschlicher Beatboxer, keine chinesischen Harfen, japanische Akkordeonisten und brasilianischen Percussions fanden Einlass in das Greenhouse-Studio, noch nicht einmal Björk selbst wurde eingelassen, als Valgeir Sigurdsson mit "Ekvilibrium" sein musikalisches Gleichgewicht wieder herstellen wollte.

So blieb er überwiegend allein mit seinem digitalen Equipment und schuf eine kleine, aber stimmig schöne Computersymphonie, überwiegend instrumental, begleitet von allerlei Klängen und Geräuschen virtuellen Ursprungs, längst nicht so schräg und verschroben wie erwartet, aber unterlegt von leisen Geigen, Saxophon, Flügelhorn und Gitarre, doch jeweils ganz sparsam, ihrer angestammten Umgebung entfremdet, nie als Melodie-, doch dafür umso mehr als Stimmungsträger.

Es bleibt dem ‚gefühlten Isländer' Bonnie Prince Billie überlassen, dem Album eine Stimme zu geben (er singt in "Evolution of waters" und "Kin"), doch der Großteil des Albums ist dem kühlen Klang der Instrumente vorbehalten. Die Versuchung liegt nahe, wie immer, wenn es um isländische Musik geht, dass hier einmal mehr die schroffe Landschaft der Nordmeerinsel beschrieben wird, doch ebenso gut wird hier auf musikalischem Wege dem Wunsch nach Stille und meditativer Einkehr Rechnung getragen, den Valgeir Sigurdsson vielleicht empfunden haben mag, nachdem der steigende Produzenten-Ruhm sein Leben zunehmend umgekrempelt haben dürfte.

Musikalisch breitet "Ekvilibrium" tatsächlich einen Teppich der Entspannung aus, der nicht einlullt, sondern dank seiner kühlen Distanziertheit den Verstand nicht ausschaltet, doch ob das Album geeignet sein wird, auch seinen Erschaffer in den Zustand der Ruhe zu versetzen, darf bezweifelt werden. Denn nun, wo sein Name nicht mehr nur bei den Album-Credits, sondern direkt auf dem Cover zu finden ist, katapultiert Valgeir Sigurdsson sich selbst in die erste Reihe, direkt neben seine berühmten Landsleute. Doch auch hier macht er eine gute Figur.


© Michael Frost, 13.10.2007


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