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Rückzug ins Private


Skunk Anansie war eine der schillerndsten Bands der 90er Jahre. Abseits des Retro-Sounds des Britpop formierte sich das Quartett 1994 in London und fand dank seiner markanten Frontfrau, die sich schlicht "Skin" nennt, umstandslos große Aufmerksamkeit. Skunk Anansie waren laut, schrill und wütend - und ließen sich von der sonstigen Musikwelt nicht weiter beeindrucken.

So avancierten sie schnell vom Geheimtipp zum Headliner der großen Festivals, veröffentlichten vier gefeierte Alben, waren praktisch pausenlos auf Tour, bis sie sich 2001 ausgepowert auflösten. Seither bastelte Skin an ihrem Solo-Debüt. Möglichst "traditionelle Songs" wollte sie darauf haben, "mit schönen Melodien und nach den dunklen Seiten in mir forschenden Texten", sprich: ein privates Album, im Gegensatz zur Beschreibung der Weltlage, wie sie in den Skunk Anansie-Texten zum Ausdruck kam.

Die Rücknahme übersteigerter Erwartungen ist vielleicht der wichtigste Aspekt, der in den Anmerkungen von Skin zum Ausdruck kommt. Nichts wäre schlimmer als die Hoffnung der Skunk Anansie-Fans, sie werde nahtlos an deren Arbeiten anknüpfen. Denn das war keineswegs ihre Absicht.

Statt dessen ist "Fleshwounds" ein Pop-Album geworden. Pop mit Anleihen aus Soul, Blues und Rock, also allen Beigaben, mit denen Skin ihre mächtige, mit Sandpapier geschliffene Stimme besonders in Szene setzen kann. Mit dieser unvermuteten Rückkehr auf den Boden herkömmlicher Musik-Tatsachen verliert Skin jedoch ein Attribut, das für den Sound ihrer ehemaligen Band noch uneingeschränkt gelten konnte: das der Einzigartigkeit.

In ihren neuen Gefilden trifft sie auf Kolleginnen wie Macy Gray, deren im Frühjahr 2003 erschienenes Album "The Trouble of Being Myself" ähnliche musikalische, aber auch inhaltliche Wege beschreitet. "The Trouble with Me" heißt übrigens einer der Skin-Titel auf "Fleshwounds", doch beide Sängerinnen wenden die Selbstzweifel andeutende Überschrift zur beißenden Ironie: "The Trouble with Me is my Troubles with You", singt Skin. All ihre Songs drehen sich um Beziehungskrisen, Liebeskummer und Verlassensein - es ist der bereits angedeutete Rückzug ins Selbst, den sie mit "Fleshwounds" zelebriert.

Die Selbstbesinnung wäre verschmerzbar, wenn es sich bei diesem Rückzug nicht um mehr als nur eine individuelle Entscheidung handelte. In Wirklichkeit jedoch ist daraus längst eine Bewegung geworden, die immer weitere Künstler ins "Private" drängt - und deshalb vermisst man - bei aller Sympathie für die herrlichen Pop-Harmonien von "Fleshwounds" - die "alte" Skin doch ein klein wenig - und ihre lauten, schrillen und wütenden Ausbrüche.

© Michael Frost, 06. Dezember 2003

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