Der
Album-Titel dürfte bewusst zweideutig angelegt sein. "Back
to Soul" kann je nach Lesart als "Zurück zum Soul"
oder als "Zurück zur Seele" verstanden werden, doch bei
Jocelyn B. Smith werden beide Konnotationen - wie es sich für gut
gemachte Soul-Musik gehört - eins.
Dem
oftmals seelenlosen Plastikpop heutiger Tage setzt sie gezielt emotional
aufgeladene Rhythmen entgegen, die sich aus Pop, Funk-Grooves, Disco,
modernen Beats und Elektro-Samples speisen und von ihrer ausdrucksstarken
Stimme getragen werden. Mit ihren aktuellen Sounds beflügelt
sie auch den altgedienten Soul als Stilrichtung. Mit E-Gitarren und
treibenden Percussions erhöht sie den Drive der ohnehin funky
Rhythmen nochmals beträchtlich ("Gotta make some noise").
Sie
dürfte außerdem eine der wenigen Soul-Interpretinnen sein,
die eine Sitar in ihre Arrangements einbaut. Wie bereichernd dieses
interkulturellen Zusammentreffen klingt, zeigt das Lied "It's
the spirit", dessen hypnotischer Grundbeat zusammen mit dem druckvollen
Background-Chor und dem psychadelischen Sitar-Klang eine mitreißende
Klangkulisse aufbaut.
Inhaltlich
zeigt sich Jocelyn B. Smith standfest. Die meisten ihrer Texte handeln
wenigstens indirekt von Gott und Religion, einige offenbaren sich
ganz direkt als lobpreisende Gebete und knüpfen damit an den
Ursprung des Soul, der in den Gospels und Spirituals der Afroamerikaner
in Nordamerika wurzelt, an. Wie groß der Unterschied zwischen
diesen Stilen jedoch, jedenfalls musikalisch gesehen, sein kann, zeigt
Jocelyn B. Smith anhand nur eines Liedes: "His love has got to
be real" ist auf dem Album in einer sehr Funk-inspirierten Fassung
zu hören, sehr modern, rhythmisch und ungemein tanzbar. Am Ende
des Album gibt es den gleichen Song noch einmal, jetzt aber als fulminanten
Gospel mit dramatischem Spannungsbogen und der stimmgewaltigen Unterstützung
eines ganzen Chores.
Um
Jocelyn B. Smith näher zu kommen, muss man übrigens nicht
nach Amerika reisen. "Back to soul" entstand im "Traumton"-Studio
in Berlin, der Stadt, in der sie bereits seit 1984 beheimatet ist.
Dort arbeitete sie an diversen Projekten unterschiedlicher Richtungen,
zuletzt veröffentlichte sie ein Album mit Liebesliedern des griechischen
Star-Komponisten Mikis Theodorakis ("Margarita", 2000) und
im Jahr darauf ein Weihnachtsalbum mit sehr persönlichen Versionen
von "Go tell it on the mountain" bis "Silent night"
und "Ich steh an deiner Krippen hier".
"Back
to soul" ist die überfällige Rückkehr in heimatliche
Gefilde, denn mit Soul begann die musikalische Leidenschaft von Jocelyn
B. Smith bereits in ihrer New Yorker Heimat. Und diese Liebe, so klingt
es, ist gerade wieder neu entfacht.
©
Michael Frost, 14.11.2002