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Spiel mit Farben


Ein nervöses Kieksen, ein aufreizend schrill gespielter Intervall auf dem Saxophon, beantwortet vom Klavier, knapp angerissene Töne, die von Anfang an das Fremde hörbar machen, eine schwer zugängliche Fremdheit, in die - plötzlich - weit ausholende, intensiv strahlende Sehnsuchtsmotive eingebettet sind: Wie lässt sich die ungewöhnliche Musik dieses Trios um den norwegischen Saxophonisten und Komponisten Torben Snekkestad beschreiben?

Da sind drei Musiker – Saxophon/Klarinette, Bass, Piano – auf einer großen Suchbewegung. Wer ihnen folgen will, hat es nicht leicht, denn das Schlagzeug lose Trio scheint alle konventionellen Muster zu verweigern. Es verzichtet auf rhythmische Bindungen, es setzt auf Leerstellen, auf Pausen, auf ein Nacheinander und Nebeneinander der Einzelstimmen, aber wer sich darauf einlässt, wird spätestens beim zweiten Hören entdecken, wie raffiniert hier zwischen Free-Jazz-Anteilen und streng durchkomponierten Formen gewechselt wird.

Im Eingangsstück „September“ erhebt sich nach drei Minuten der volle, tiefe, klare Saxophonklang auf einem leisen, dunklen Bass-Ostinato und entfaltet einen derart starken geradezu glühenden Klang, der mehrfach in diesen 11 Kompositionen von Snekkestad wiederkehrt: Hier zeigt sich ein tief melancholischer, von Folklore geprägter Tonfall, der gar nichts sentimental Folkloristisches an sich hat. Snekkestad ist mit allen musikalischen Wassern gewaschen.

Er arbeitet seit Jahren in musikalischen Projekten, die von der Barockmusik über Rock, Folk und Free Jazz bis zur zeitgenössischen Musik reichen. Von dieser Vielfalt spricht auch das vorliegende Album, sein Debüt im Rahmen dieses außergewöhnlichen Jazz-Trios, das zugleich an eine große Tradition anknüpft. Snekkestad und seine beiden souveränen Sidemen, der norwegische Pianist Jon Balke sowie der dänische Bassist Jonas Westergaard, knüpfen explizit an das in den 60-er Jahren stilbildende Trio um den Saxophonisten und Klarinettisten Jimmy Giuffre an, der zusammen mit Paul Bley (Piano) und Steve Swallow (Bass) die offene Form des Free Jazz mit Elementen der europäischen, akademischen Musiktradition gemischt hat.

Giuffres Entdecker Joachim Ernst Berendt rühmte die „dunkle Wärme seines Spiels“, von der auch bei Torben Snekkestad gesprochen werden darf. Die kühle, strenge Form, das Ineinander von Komposition und Improvisation, der Wechsel von extrem langsamen Sätzen und Bepop-artigem Tempo (“Zobob“ wirkt wie eine Hommage an alte Zeiten) werden zusammengehalten und getragen von dem warmen Klang, den Snekkestad auf Saxophonen und Klarinette erzeugt. Dabei gibt er der Fremdheit zunehmend Raum: In den letzten Stücken des Albums lässt er sein Instrument auf einer hohen Tonebene jammern, murmeln, gurren.

So entsteht eine in sich selber kreisende Musik, von Klavier und Bass mit kurzen, harten Schlägen begleitet, in der sich die Instrumente verselbständigen, in der sie ihre Ausdrucksmöglichkeiten verschieben und verzerren, bis eine durchgehende Klangcollage entsteht, ein Spiel mit Farben, in denen das zu- und abnehmende Rauschen der Instrumente zum Teil der Musik wird. Im abschließenden Saxophon-Solo zeigt Torben Snekkestad alle Eleganz seines Tones, der hier mit großer poetischer Kraft einen Klageruf anstimmt, der bis in die Tiefen dieses Instruments führt. Ein starkes Album!

© Hans Happel, 14.03.2009


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