vorschau  SOAP & SKIN
Tourdaten

Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Sturm und Drang


Es dauert keine Minute, bis Anja Plaschg alias "Soap & Skin" ein erstes Fanal setzt. Wie ein wundes Tier erhebt sie in "Sleep" ihre Stimme, gleichermaßen machtvoll und verletzlich, umrankt von einem Meer aus dunklen, erhabenen Pianoläufen. Wie bei Antony Hegarty stellt sich schnell die Frage: Pop oder Klassik - oder etwas ganz anderes?

Das düster-melancholische Debüt der Österreicherin spinnt, ausgehend von der dynamischen Liaison zwischen der ganzen Bandbreite des Klaviers und einer mal zärtlichen, mal sich tief unter die Haut grabenden Stimme, die losen Fäden vieler Vorbilder weiter: Die spielerischen Elemente ("Turbine Womb") erinnern an die Filmkompositionen eines Yann Tiersen, manche Gesangspassage ähnlichen sakralen Chorälen ("Fall foliage"), klingen dabei jedoch gleichzeitig auf unbeschreibliche Weise modern und avantgarde wie die schwedische Electropop-Sirene Jenny Wilson oder die Quersumme aus Tori Amos und Kate Bush.

Mancher Kritiker verstieg sich angesichts der verstörenden Klänge dieses überragenden Debüts bereits zu der Behauptung, Soap & Skin versöhne Enya und Portishead (als ob dies ein lohnenswertes Ziel wäre) und gab damit lediglich die Unmöglichkeit preis, die Musik zutreffend zu beschreiben. Doch andererseits: Zu einem Titel wie "Marche funèbre" erwartet man eigentlich die schneidend Stimme einer Beth Gibbons, doch Soap & Skin kontrastiert den wummernden Elektrosound mit sakraler Säuselstimme wie in Enyas "Orinoco flow".

Anja Plaschg, die junge Frau, die dieses seltsam berührende Album verantwortet, stammt aus der Steiermark. Seit ihrer Schulzeit ist sie, so liest es sich aus ihrer Biografie, auf der Suche nach den Möglichkeiten ihres eigenen künstlerischen Ausdrucks. Mit 16 besuchte sie die Akademie für Bildende Künste in Wien, die sie nach nur drei Semestern verließ, um sich anschließend in die Musik zu stürzen. "Lovetune for vacuum" entstand überwiegend zuhause. Die Erfahrungen dafür scheint sie früh gesammelt zu haben, seit ihr Bruder ihr ein Soundprogramm auf dem PC installierte, mit dem sich vortrefflich experimentieren ließ, wie sie mit "DDMMYYYY", dem einzigen komplett digital komponierten Titel auf "Lovetune for vacuum", überzeugend nachweist.

Anja Plaschg singt, raunt und flüstert, sie spielt Geige, Klavier und Flöte, sie komponiert, textet und arrangiert praktisch im Alleingang. Unterstützung erhält sie lediglich durch Bass, Viola und Cello. Bei allen nutzlosen Versuchen, ihrem Album Referenzen anzudichten: "Lovetune for vakuum" ist ihr Album, ein Unikat. Es scheint, als habe ein innerer Drang endlich einen Weg nach außen gefunden, der sich nun in einem wahrhaften Sturm entlädt, so eigenwillig und eigentümlich, so quer zu allem, was man von Menschen ihres Alters sonst erwartet, und gerade deshalb mit sensationeller Prognose für die Zukunft.

© Michael Frost, 14.03.2009


[Archiv] [Up]