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Geschliffen klarer Glanz
Gast-Kritik von Hans Happel


Ein Musiker kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Der Pianist Didier Squiban ist Bretone und arbeitet mehrere Jahre lang an einer Heimat-Trilogie in moll, deren letzter Teil jetzt unter dem Titel "MOLENE" erschienen ist.

Molene ist der Name einer Inselgruppe, die der bretonischen Westküste gegenüber liegt, wo der Mittvierziger Squiban geboren ist. Für ihn lag Molene "am Ende der Welt", bevor er sie vor zwei Jahren zum erstenmal betreten hat.

Molene lag ebenso nah und zugleich weit entfernt wie die Musik, die hier zu hören ist. Es ist die Musik seiner Kindheit, es sind traditionelle Lieder aus der Bretagne, Kirchenlieder, Liebeslieder, Volkstänze, und eigene Kompositionen, in denen Squiban sich von Themen zeitgenössischer bretonischer Sänger oder von bretonischen Gedichtzeilen und von der Landschaft inspirieren läßt.

Das ist ganz direkt geschehen, denn sein Piano hat er für diese Aufnahmen auf die Insel transportieren lassen, wo er sie in einer Kirche einspielt. "Das Klavier, die Bretagne, das Meer" sind für ihn die "drei Ecksteine" dieses Albums und "Tri Men" (bretonisch drei Steine) heißt die erste von insgesamt drei "Suiten für Piano".

Die Form der Suite erlaubt dem Musiker die zwanglose, lockere Zusammenstellung verschiedenartiger Themen, die sich in ihrem melancholischen Grundzug ähnlich sind. Eine herbe Wehmut spricht aus fast allen traditionellen Weisen, die Squiban gesammelt hat. Es sind ursprünglich Lieder, die er sich während seiner Recherche vorsingen ließ, und in seiner Bearbeitung für Klavier gibt er ihnen durch sein trockenes, fast minimalistisches Spiel einen geschliffen klaren Glanz.

Schmerz und Sehnsucht, Einsamkeit und Tristesse, Grundformeln der allermeisten Melodien, verlieren sich nicht an sentimentales Pathos.

Auch die eigenen Kompositionen fügen sich nahtlos in dieses Klangbild ein. "Bannec", das letzte Stück der CD, ist ein Stimmungsbild, eine kleine, ergreifende Melodie, während der Aufnahme erst entstanden, die die Einsamkeit der Inselwelt beschwört.

Didier Squiban hat sich weit von den Wegen des Jazz-Musikers entfernt, die er in seiner Entwicklung vom Bepop zum poetischen Jazz eines Jan Garbarek gegangen ist.

Das erste Stück "Ar Baradoz" (Paradies) nimmt ein religiöses Motiv auf, und ein religiös-meditativer Charakter gehört zur bevorzugten Klangfarbe der Suiten. Squiban nähert sich den traditionellen Weisen in aller Schlichtheit an, er führt sie ohne harmonische und melodische Brechungen vor.

Auch wenn sein Klavierspiel die meditative Versenkung des frühen Keith Jarretts wachruft, und die titelgebende Eigenkomposition "Tri Men" wie eine Verbeugung vor dem Meister der "Köln Concerts" gehört werden kann, entfernt er sich entschieden von dessen Wegen.

Squiban hält sich eng an die musikalischen Vorlagen, er verwandelt sie nicht improvisatorisch zu weiträumigen Klanggemälden, er lauscht andächtig ihrem eigenen Charakter. Auch auf die Gefahr hin, dass er dabei an allzu schöner, naiver Stimmungsmalerei hängenbleibt.

Denn das ist der Preis, den er für seine weise Beschränkung zahlt: So wie die schönen Fotos der Inselwelt von Molene - im üppigen CD-Booklet - einem Reiseführer entnommen sein könnten, so ist auch Squibans schönes Klangbild nicht gefeit davor, ein angenehmes Wehmutsgefühl in verschiedenen Variationen zu illustrieren. Aber Squibans trockener und authentischer Tonfall macht diese einfachen Melodien außerordentlich stark, und ihr Reiz wird nach mehrmaligem Hören keineswegs geringer.

"Didier Squiban: Molène" ist eine Gast-Kritik
von Hans Happel (November 2002).
Was du wissen solltest, wenn du uns auch eine Gast-Kritik senden willst, erfährst du hier.

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