"Spaß
beiseite!" sagt er mehrmals im Verlauf des Konzerts,
als wollte er - wie ein alternativer Weihnachtsmann - seine
Botschaft loswerden, die echte, ehrliche "message".
Und so komisch es bei ihm auch rüberkommen mag, natürlich
hat Stefan Stoppok eine message. Er versteckt sie in
seinem trockenem Humor, er unterkühlt sie mit satirischem
Witz, mit kalauerndem Zungenschlag, und sie steckt in seinen
Songs vor allem zwischen den Zeilen.
Stoppok,
der schräge Liedermacher mit der jungenhaften Reibeisenstimme,
der die 30 "längst weit überschritten"
hat, ist jetzt - live und solo - auf einer Doppel-CD zu hören,
140 Minuten lang, mit mehr als zwei Dutzend Liedern, gewürzt
mit vielen Zwischenansagen, die die Atmosphäre dieser
Mitschnitte seiner Deutschland-Tournee im vorweihnachtlichen
November/Dezember 2004 besonders lebendig machen.
Ob
in Hamburg, Bremen, Essen, Berlin, Köln oder Leipzig,
Stoppok hat ein treues Publikum, das die mittelgroßen
"alternativen" Konzertsäle füllt, sympathische
Nischen, aus denen dieser ungewöhnliche deutsche Storyteller
ganz bestimmt nicht herauskommen will. Vielleicht sind die
Geschichten, die er erzählt, eng an eine bestimmte Generation
gebunden, die Generation der jetzt 40-jährigen, vielleicht
- noch enger - an diejenigen, die schon Trennungen hinter
sich haben, die wieder allein leben, die kaum mehr materielle
Sicherheiten vor sich sehen und ideologisch schon gar nicht
mehr wissen, "woher der Wind weht".
Das
jedenfalls spricht Stoppok - zwischen den Zeilen - in vielen
seiner Lieder aus, und in "Wetterprophet" singt
er ausdrücklich davon. Ist er deshalb ein eindimensionaler
Generationenpoet? Nein, die leisen Zukunftsängste, die
Trennungsschmerzen, die Sehnsucht nach Wärme, die Suche
nach dem/der einzig Richtigen, die vielen Alltagsgeschichten
um Mülltrennung, leere Kühlschränke und triste
Kneipen, die Geschichten vom Zoff, vom Suff, vom Anbaggern
fremder Frauen, sind natürlich verallgemeinerbar.
Natürlich
vor allem deshalb, weil Stefan Stoppok für sie eine musikalische
Form findet, die generationenübergreifend anspricht.
Er verbindet einfache, süffige Melodien, die gelegentlich
allzu sehr zum Mitsingen reizen, mit kräftigen Akkorden
auf der Gitarre und mit rasantem Banjospiel.
Stoppok
macht eine Mischung aus Country, Folk, Blues und Rock, die
aus dem Geist der 60-er Jahre kommt, und die seinen Erzählungen
und seinen Stimmungen, seiner Einsamkeit und seinem Witz eine
unbedingte Echtheit gibt. Hier verlieren selbst schrecklich
kitschige Texte ("Ein Wort von dir - und der Schnee,
der schmilzt...") ihren Kitschgehalt. Gitarre und Stimme
geben diesen Liedern etwas so Erdiges und Authentisches, dass
man ihm die weichen Worte nachsieht.
Andererseits
kann er ein scharfer Spötter sein: In "Learning
by burning" erzählt er von Kindern, die auf Wunsch
der Mutter mit dem Feuer spielen dürfen, weil sie ja
alles ausprobieren sollen. Seine "Nebenmitteilung"
an frisch gebackene Mütter und Väter in der Anmoderation
ist so knapp wie sympathisch: "Ich denke, man soll die
Kids erziehen - ist auf Dauer besser". Wozu erziehen?
Davon handelt nicht nur der Song "Viel zu schön":
Das Leben auf der Erde, singt Stoppok, sei "viel zu schön
für ein Leben inner Hammelherde" und er empfiehlt,
"lass sie ziehen, ganz egal wohin!"
Mag
sein, dass seine Lieder vor allem für einsame Jungs sind,
denn schmerzhafte Abschiedsszenen gibt es häufiger, aber
dieser Mann, der hier wie ein lonesome cowboy für den
eigenen Weg plädiert, wird niemals larmoyant, er jammert
nicht, und die Traurigkeit ist in den kräftigen Farben
seines - virtuosen - Gitarrenspiels in doppelter Weise aufgehoben.
Stoppok ist lakonisch, frech, bissig und zugleich tief melancholisch.
"Stoppok live und solo": Ein deutscher Liedermacher,
der seit 25 Jahren Musik macht, zeigt, wie sehr er den Blues
in sich trägt, nicht aufgesetzt, nicht künstlich,
nicht antrainiert, sondern - Spaß beiseite - wirklich
wahr.
"Stoppok:
Live und Solo"
ist ein Beitrag von Hans Happel für CD-KRITIK.DE
© Hans Happel, 06. Mai 2005