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Jazz-Wunderkinder
von Hans Happel


"tuesday wonderland" heißt das neue Album der drei Wunderkinder aus der schwedischen Jazz-Szene, denen es musikalisch und kommerziell gelungen ist, alle Grenzen zwischen Jazz und Pop zu sprengen: Das Esbjörn Svensson Trio, kurz: e.s.t., vor 13 Jahren gegründet, füllt inzwischen mühelos und weltweit große Konzertsäle.

Ihre letzte CD "Viaticum" tauchte in Top 50 der deutschen und französischen Albumcharts auf und wurde mit dem German Jazz Award in Gold und Platin ausgezeichnet. Esbjörn Svensson (Piano), der seit Kindertagen mit Magnus Öström (Drums) zusammen musiziert, und der Kontrabassist Dan Berglund sind bekennende Grenzgänger, die mit ihrem Stilmix aus feinstem Jazz, heftigem Rock und eleganten Pop-Melodien populär geworden sind.

Sie sind im Mainstream angekommen, ohne jedoch ihre musikalischen Qualitäten einzubüßen. In "tuesday wonderland" scheinen sie einen ganz gewöhnlichen Wochentag mit ihren vitalen Klängen verzaubern zu wollen. Anders gesagt und in Anlehnung an eine der elf Nummern des Albums ("goldwrap"): sie wickeln den Alltag in Goldpapier, das Goldpapier ist die Farbigkeit ihres Spiels, der Wechsel zwischen leise Piano-Partien und schweren Rock-Rhythmen, die im Auftakt-Stück ("Präludium") nach ältestem Black-Sabbath-Dampfhammer-Rock klingen.

Unvermittelt wechseln die Stimmungen zwischen zart und hart, zwischen akustischem und elektronischen Spiel, zwischen folkloristisch geprägtem Schönklang und fetzigen Funk-Passagen. Dabei verbreiten sie durchgehend - im besten Sinn - good vibrations. Das ist vielleicht ihre größte Kunst: Sie arbeiten -gleichrangig alle drei - mit sehr einfachen Elementen, darunter sind ebenso schlichte wie prägnante Riffs, vom Piano häufig kantig angeschlagen, darüber erscheinen eingängige simple melodies, die allmählich in einen dichten Klangteppich gewickelt werden, der minutenlang anschwillt.

Magnus Öström am Schlagzeug kann im Hintergrund leise pinseln, treibt aber meistens wild drängelnd die Musik voran. Das alles klingt niemals angestrengt, künstlich gebastelt oder intellektuell zusammen gesetzt. Im Gegenteil: Die drei Jungs musizieren mit jederzeit hörbarer Lust am Spiel, ihr Wechsel von fast schmerzhaft inniger Intimität zu wüstem Rock, vom piano piano zum Fortissimo, bebt vor Vitalität, ihr neues Album wirkt wie ein bruchloses Ganzes, was sie selber sehr verspielt mit der Rahmung - "fading maid preludium" anfangs und "fading maid postludium" zum Ausklang - betonen.

Gewiss, diese Musik ist leicht zu hören, sie schleicht sich ins Ohr, darin ist sie guter, klassischer Rockmusik ganz ähnlich, aber sie hat nichts mit plätscherndem easy listening zu tun. Das Esbjörn Svensson Trio verschenkt keine Ansprüche, im Gegenteil, es sucht in den Alltagsklängen - quasi im gewöhnlichen Dienstag - nach den Spuren eines Wunderlands. Das mag viel zu groß gesprochen sein, aber die Klanglandschaften, die e.s.t. uns öffnet, sind von anregender Farbigkeit und äußerster Frische.

ESBJÖRN SVENSSON TRIO LIVE:

22. 11, Hamburg (Laeisz-Halle)
23. 11. Innsbruck (Treibhaus)
24. 11. Zürich (Tonhalle)
25. 11. Genf (Batiment des Forces Motrices)


© Hans Happel, 18. November 2006


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