vorschau  SWR Big Band &
Paula Morelenbaum
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Liebevolle Hommage

 

Für wen das Experiment wohl größer war? Eine 16-köpfige Bigband als Soundkulisse der Bossanova, die gefühlt sonst nur aus einer zartschmelzenden Frauenstimme, Akustikgitarre und kaum wahrnehmbaren Percussions besteht? Oder war das Wagnis größer für eine der profiliertesten Erneuerinnen der Bossanova, sich mit einem deutschen Jazzensemble am brasilianischen Pulsschlag zu versuchen?

Die eigentliche Herausforderung bestand wohl für Ralf Schmid, den Leiter der SWR Big Band. Er war es, der die Arrangements für "Aguas de Março", "Mas que nada" und einige weitere Klassiker des Genres schrieb, und eine zentrale Rolle ließ er einem bewährten Gast zukommen: Jazz-Trompeter Joo Kraus, der schon lange mit der SWR Big Band arbeitet ("Public Lounge") und hier mit einigen bemerkenswerten Soli dem Star des Programms zur Seite steht.

Paula Morelenbaum ist dieser Star. Die Brasilianerin hat bereits einige hoch gelobte Bossanova-Alben aufgenommen - nicht zuletzt als Mitglied des Ensembles von Großmeister Antonio Carlos Jobim, später gemeinsam mit Ryuchi Sakamoto und ihrem Ehemann, dem schon fast legendären Arrangeur und Cellisten Jaqcues Morelenbaum. Zuletzt widmete sie sich, wie viele ihrer Kollegen auch, der Fusion von Bossanova und Electrosound ("Berimbaum") - und nun also in einem recht deutlichen Kontrast der Big Band.

Der herausragende Eindruck der Arrangements von Bandleiter Ralf Schmid ist sicherlich die Betonung der Jazzelemente, die zwar immer Bestandteil der Bossanova waren, in vielen Interpretationen aber vernachlässigt wurden, meist, um den Sound flacher, eingängiger, gefälliger klingen zu lassen.

Insofern ist "bossarenova" eine Großtat: Die Bossanova der SWR Big Band ist rhythmisch, energisch, temperament- und gefühlvoll, durch die Betonung instrumentaler Einzel- und Gruppenelemente auch facettenreicher und mit spürbarem Charakter. Das Selbstbewusstsein der Beteiligten war sogar groß genug, sich einige gänzlich un-brasilianische Vorlagen anzueignen und sie in das Konzept aus Jazz, Samba und Bossanova einzufügen: die erst vor einigen Jahren veröffentlichte Beatles-Ballade "Blackbird" ist darunter, ein Stück des brasilianischen Klassikers Heitor Villa-Lobos und mit "Ich grolle nicht" ein Lied aus der Feder von Robert Schumann, hier in der portugiesischen Fassung als "Prá que chorar" zu hören.

Ralf Schmid selbst beschreibt "bossarenova" in den Linernotes zum Album als "Hörfilm, der im Regenwald beginnt und schließlich das Samba-tanzende Rio erreicht". Diesen Abschluss markiert eine weitere Überraschung: Quincy Jones' "Soul Bossa Nova", augenzwinkernd, temporeich und voller Spielfreude interpretiert - der gelungene Schlusspunkt einer detailreichen und liebevollen Hommage.

 

© Michael Frost, 02.08.2009


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