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Sachliche Romanzen


"I always had the voice, and now I am a singer." Es klingt nach großer Selbstverständlichkeit, mit der Teitur seinen Werdegang beschreibt. Dabei ist es für einen jungen Musiker von den Färöer sicher alles andere als einfach, aus einem Talent eine internationale Karriere zu machen: Wahrscheinlich muss man wenigstens doppelt so gut sein wie die anderen. Doch genau dies ist ihm gelungen, und "The Singer", Teiturs drittes internationales Album, zeigt genau, warum.

Denn sein Talent überstrahlt das seiner Songwriter-Kollegen recht deutlich. Wo David Gray sich überwiegend selbst wiederholt, Damien Rice in der Melancholie versinkt, ja, selbst Sting sich im Mittelalter verirrt und andere sowieso nur für einen kurzen Medienhype im Scheinwerferlicht stehen, da zeigt Teitur einen erstaunlichen Reifeprozess - und überraschende Wandlungsfähigkeit.

Während seine vorigen Alben noch das typische Singer/Songwriter-Muster bedienten, Gesang und Gitarre also in den Vordergrund stellten, sorgt auf "The singer" eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente für eine bunte Mixtur unterschiedlicher Klänge. Der Titelsong ist mit einer Marimba unterlegt, wenig später verbreitet ein Bläser-Quintett, unterstützt von einem Western-Rhythmus und schwelgendem Frauenchor ("The hot singers"), augenzwinkernde Texmex-Atmosphäre. "The girl I never knew" steht damit beispielhaft für die große Experimentierlust Teiturs, der sich mit "The singer", einem Befreiungsschlag gleich, von der verordneten Einförmigkeit des Folk-Balladen-Schreibers befreit.

Die selben Bläser sind es übrigens, die auf "We still drink the same water" erhabene Feierlichkeit verbreiten und den lyrischen Grundton des Songs unterstreichen: Teitur erzählt darin die Geschichte einer gescheiterten Beziehung. Sie ist in die Vorstadt gezogen, er bleibt allein zurück, bemitleidet von den Nachbarinnen, deren Blicke ihn auffordern, sie zurück zu holen, doch er klammert sich noch an die letzten verbliebenen, absurden Gemeinsamkeiten: "We still drink the same water".

Teitur erzählt solche Begebenheiten aus unser aller Alltag mit schlichten Worten, fast sachlich, selbst in den romantischen Momenten des Albums bleibt seine Sprache schnörkellos - vielleicht ist dies der Grund, weshalb er "The singer" als sein "nordisches" Album beschreibt. Die Musik hingegen wirkt nämlich häufig vielschichtig und streng konzipiert ("Legendary afterparty", über eine Begegnung mit dem 2005 verstorbenen Musikerkollegen Chris Whitley). Mit häufigen Tempo- und Rhythmuswechseln erreichen sie bisweilen Revue-Charakter ("Start wasting my time"), und entsprechend ließ Teitur die gesamte Aufmachung des Albums wie eine Vaudeville-Aufführung gestalten - inkl. Bühnenvorhang auf dem Cover und einem Booklet als Programmheft.

Um "The singer" einzuspieln, zog Teitur sich auf die schwedische Insel Gotland zurück. Während der Aufnahmen wohnten alle Musiker gemeinsam im Hotel - andere, wie das Bläserquintett, wurden direkt auf der Insel engagiert ("Visby Brass"). Die abgeschiedene Ruhe des Aufnahmeorts hat sicherlich viel zu der konzentrierten Atmosphäre und der großartigen Musikalität des Albums beigetragen.

"I never meant to be a singer, but I am slowly getting used to the idea", lautet eine weitere Textzeile des Titellieds - ein wenig kokett, denn inzwischen dürfte Teitur sich längst an die Rolle des internationalen Stars gewöhnt haben. Seine aktuelle Tour führt ihn nämlich längst nicht mehr nur durch die gewohnten Clubs in Nord- und Mitteleuropa, sondern bis in die USA und nach Kanada.

© Michael Frost, 20.03.2008

 


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