Er 
                    misst sich mit den Größten. Ein junger Musiker, 
                    der die Trompete so leicht, so locker und beiläufig bläst, 
                    als sei es nur ein Spiel, das ohne jede Anstrengung - mal 
                    eben so - aufgenommen wird, um es ebenso schnell wieder zu 
                    beenden. Er 
                    heißt Diego Urcola, ist in Buenos Aires geboren, hat 
                    mit 9 Jahren den ersten Musikunterricht am Colego Ward, einer 
                    von seinem Vater geleiteten Schule, genossen und später 
                    in den USA studiert. Heute lebt er in New York. 
                  Er 
                    ist seit 1991 Mitglied des Paquito D´Rivera Quintetts, 
                    mit dem er 2001 einen Grammy gewann. Für die Produktion 
                    seiner ersten CD unter eigenem Namen ist er nach Buenos Aires 
                    zurückgekehrt, hat argentinische Musiker um sich herum 
                    versammelt und innerhalb von drei Tagen - im Juni 2003 - 13 
                    Titel aufgenommen, in denen er seine musikalischen Wurzeln 
                    mit der Sprache des Modern Jazz zu einem programmatischen 
                    Werk verknüpft, das er schlicht "Soundances" 
                    nennt. 
                  Die 
                    Musik des Instrumentalisten und Komponisten Diego Urcola wirkt 
                    beim ersten Hören wie eine locker tänzelnde Sommermusik: 
                    Sie kommt auf Samtpfoten daher, die Trompete klingt geradezu 
                    pelzig-weich, und die Melodien sind geschmeidig-ohrwürmig. 
                    Aber beim zweiten Hören wird es schwieriger: Diego Urcola 
                    macht keine Hintergrund-Musik, er stellt sich nicht in die 
                    Jazz-Lounge, um geschmackvoll Small-Talks zu untermalen, er 
                    färbt sein Material auch nicht einfach mit einem Touch 
                    argentinischer Folklore. 
                  Er 
                    sucht nach einer Verschmelzung von Tango, Blues und Jazz, 
                    die er schon im ersten Titel ankündigt. Mit einem rasanten 
                    kurzen Trompeten-Lauf stürzt er sich in "Blues for 
                    Astor", in eine Hommage an Piazzolla, die zwischen intimen 
                    Tönen und heftig bewegter Tanzmusik permanent wechselt. 
                    In diesem Spannungsverhältnis zwischen kammermusikalisch 
                    leisen und kräftig swingenden Sequenzen bewegen sich 
                    Urcola und seine Mitstreiter, das sind u.a. Juan Dargenton 
                    (Bandoneon), Willy Gonzalez (Electric Bass), Juan Raffo (Piano), 
                    Pepe Luna (Gitarre). Die meisten Kompositionen sind von Urcola 
                    und seinen Bandmitgliedern Gonzales und Raffo, die als Komponisten 
                    aufhorchen lassen. 
                  Neben 
                    zwei argentinischen Klassikern steht ein einziger Name für 
                    die Welt, in der Urcola inzwischen zu Hause ist: Miles Davis. 
                    "Blue in Green" ist einer der Titel aus Miles bahnbrechendem 
                    Album "Kind of blue", in dem er 1959 mit der gestopften 
                    Trompete eine - wie Joachim-Ernst Berendt schreibt - "bis 
                    dahin in dieser Musik unbekannte Lyrik und Sensibilität 
                    entdeckte". Mit gestopfter Trompete spielt Diego Urcola 
                    seine Version im Duo mit dem Bandoneon, wunderbar direkt und 
                    transparent. 
                  "Soundances" 
                    ist möglicherweise Diego Urcolas "Kind of Blue", 
                    sein Durchbruch mit einem ganz eigenen musikalischen Tonfall, 
                    lyrisch und sensibel, rhythmisch bewegt, mit virtuosen Improvisationen 
                    aller Beteiligten, die sich niemals trennen vom dichten Ensemble-Spiel, 
                    in dem zum Schluß die leiseren, gedeckten Töne 
                    überwiegen. 
                  Den 
                    "Final Waltz" könnte auch Miles Davis gespielt 
                    haben, es ist eine einzige Hommage an den Großen, an 
                    dem sich Diego Urcola misst, unbekümmert jungenhaft, 
                    aber nicht vermessen, denn sein Spiel klingt tatsächlich 
                    so, wie es Berendt einst für Miles Davis beschrieben 
                    hatte: "Der Ton fängt in einem Moment an, den man 
                    nicht erfassen kann, er scheint aus dem Nichts zu kommen und 
                    hört auf, ohne dass man merkt, wann - gleichsam im Nichts 
                    verschwindend." 
                  Diego 
                    Urcolas "Soundances" ist mehr als eine kleine Sommermusik, 
                    aber auch als Sommermusik ein hoher Genuss. 
                  
                    
                  "Diego 
                    Urcola: Soundances"
                    ist ein Beitrag von Hans Happel für CD-KRITIK.DE
                    © Hans Happel, Juli 2004