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Gruselstorys ohne Biss
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel


Harry McVeighs Geschichten sind wie ein Blick in die Abgründe menschlicher Seelen, künden von übernatürlichen Ereignissen, die außerhalb jeder menschlichen Erfahrung liegen und uns wohlige Schauer über den Rücken jagen. Doch Harry ist kein Horrorfilmregisseur, obgleich seine Geschichten die perfekten Vorlagen dafür abliefern würden, sondern Sänger des englischen Trios „White Lies“, das derzeit für viel Rummel im Vereinigten Königreich sorgt.

In seiner düsteren Lyrik, die an E.T.A. Hofmann oder Edgar Allen Poe gemahnt, treffen sich die Untoten zum schauderlichen Disput („Unfinished Business“), werden wir mitgenommen auf einen verwunschenen Rummelplatz („Farewell To The Fairground“), bekennt der junge Londoner frank und frei: “I’ll leave my memoirs in blood on the floor”.

Harry ist nicht der erste, der Gothic Stories, Murderballads und fatalistische Endzeitstimmungen in die Pop- und Rockmusik einführt. Die göttlichen „Joy Division“, der einzigartige Nick Cave, die famosen „Editors“ oder die coolen „Cooper Temple Clause“ haben schon lange vor ihm düstere Klagelieder angestimmt. Sie führten uns auf musikalische Pfade voller Trauer, Unwirtlichkeit und Verzweiflung, die der dunklen Poesie alle Ehre machten.

Was machen die „White Lies“? Sie lassen auf ihrem Debütalbum „To Lose My Life“ einen geradlinigen nach vorne treibenden Poprocksound mit dunkler Stimme vom Stapel, der von sakralen Synthietönen umrahmt wird, die wie eine Kirchenorgel klingen. Das Schroffe, die Ecken und Kanten, die dunkle Melancholie, in der sich Seelenpein widerspiegelt, all dies sucht man bei den „White Lies“ oftmals vergeblich, die mitunter wie ein kitschiger Abklatsch im dunklen Gewand von 80er-Jahre-Bands wie „Duran Duran“ oder „OMD“ klingen („Farewell To The Fairground“/“From The Stars“).

Selbstverständlich verfügt das Trio über klasse Songs wie „Death“ oder „Fifty On Our Foreheads“, aber der perfekte, alptraumhafte Soundtrack für die Schattenseiten menschlichen Lebens hört sich anders an.


"White Lies: To lose my life" (Fiction/Universal)
ist ein Gastbeitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, März 2009

 

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