Siebenunddreißig 
          Jahre lang existierte dieses Album nur als Legende. Brian Wilson hatte 
          es für seine damalige Band geschrieben: die Beach Boys, eine der 
          erfolgreichsten US-Bands der 60er Jahre. Ihre Songs sind noch heute 
          unvergessen, ihr Wiedererkennungswert ist dank der frischen Melodien 
          und des eingängigen Gesangs ungemein hoch.  
          Mit 
            seiner Komposition "Smile" wollte Wilson das Prinzip des 
            3-Minuten-Songs durchbrechen. Statt dessen konzipierte er ein orchestrales 
            Werk, das zwar aus 17 einzelnen Titeln besteht, die jedoch fast bruchlos 
            ineinander übergehen und zudem nie dem typischen Wechsel von 
            Strophe und Refrain folgen. Hier dürfte einer der gewichtigsten 
            Gründe dafür liegen, dass "Smile" in der Schublade 
            blieb. Die Beach Boys waren keine Kunst-, sondern eine Popband, die 
            auf Charterfolg abonniert war. 
          Wie 
            sehr sie mit "Smile" den eingeschlagenen Pfad tatsächlich 
            verlassen hätten, wird erst jetzt deutlich, nachdem Wilson seine 
            opera magna doch noch vollenden und veröffentlichen konnte, zunächst 
            auf CD, inzwischen auch auf DVD. Dem Anlass angemessen präsentiert 
            sich die DVD als aufwändig inszeniertes Ereignis: Auf zwei Discs 
            kann man nicht nur den brillianten Mitschnitt eines Konzerts Wilsons 
            in Los Angeles miterleben, sondern darüber hinaus in einer 100-minütigen 
            Dokumentation in die Welt von "Smile" eintauchen und sich 
            die Geschichte dieses außergewöhnlichen Werks vom Meister 
            selbst erklären lassen. Der Einblick ist schonungslos und offenbart, 
            wie stark Wilson die Wiederaufstehung seines Werks als Therapie empfunden 
            haben muss.
          Während 
            seiner langen Karriere hat er vielen Höhen und noch mehr Täler 
            durchschritten. Sein Lebensweg ist nicht nur vom Erfolg der Beach 
            Boys gekennzeichnet, sondern auch von privatem Verlust, Krankheit 
            und Zurücksetzungen. Kritiker bezeichnen ihn immer wieder als 
            Beweis für die Behauptung, dass "Genie und Wahnsinn" 
            dicht beieinander lägen, und man mag ihnen beim Betrachten des 
            "Smile"-Konzerts nicht wirklich widersprechen, wenn etwa 
            seine Begleitband und die zusätzlich engagierten "Stockholm 
            Strings and Horns" für den Titel "Vega-Tables" 
            die Instrumente gegen Porreestangen, Karotten und Paprika eintauschen 
            oder im Grammy-ausgezeichneten "Mrs. O'Leary's Cow" mit 
            ihren Geigen Feueralarm simulieren.
          Brian 
            Wilson, so wird aus dem Konzertmitschnitt deutlich, hat es doch noch 
            geschafft: Er ist, umgeben von Musikern, die in der Mehrzahl noch 
            gar nicht geboren waren, als er den Grundstein zu "Smile" 
            legte, am Ziel seiner Träume. Und auch, wenn das Projekt nun 
            nicht mehr als "berühmtestes nicht-veröffentlichtes 
            Album" in die Musikgeschichte eingehen wird, so bleibt seine 
            Legende dennoch bestehen. Dafür sorgt schon der umjubelte Abschluss 
            des Konzerts mit "Good vibrations", einem der wenigen Teile, 
            der schon zu den Zeiten der Beach Boys veröffentlicht und deren 
            größter Single-Hit wurde. 
          © 
            Michael Frost, 19.07.2005