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Mitten in die
Unwichtigkeit


Autoren wie Sven Regener, Frank Goosen und andere haben die Literatur jüngst um Geschichten über eine Generation bereichert, von der man bis dahin noch nicht viel erfahren hatte: Mitten in den 60er Jahren geboren, mithin zu früh, um Kinder der 68er Studentengeneration zu sein, aber zu spät, um die Jugend- und Protestbewegungen der 70er Jahre mit zu erleben, zu alt für die 'Generation Golf' und zu jung für die Friedens- und Umweltbewegung der frühen 80er Jahre.

Von allen Strömungen ihrer Zeit war diese Generation zwar beeinflusst, doch eigene Akzente setzte sie kaum. Von dieser Erlebnislosigkeit zehren auch die Bücher von Regener und Goosen, alles, was ihren Figuren geschieht, passiert eher beiläufig und nicht aus eigenem Antrieb. "Liegen lernen" hieß Goosens Erfolgsroman denn auch passenderweise. Doch ganz so langweilig und oberflächlich, wie es jetzt Sänger Thorsten Wingenfelder (Jahrgang 1966) seinen Zuhörern glauben machen will, war die Zeit nun auch wieder nicht.

Auf seinem ersten Soloalbum (Wingenfelder ist ansonsten Frontmann von Fury in the Slaughterhouse) nimmt Wingenfelder sich zahlreicher Themen der Zeitgeschichte an, singt gegen die Mythen der Gegenwart ("Die perfekte Welle hat's nie gegeben ...") und der Belanglosigkeit an ("... das Traumschiff fährt // uns mitten in die Unwichtigkeit ..."). Allzu häufig ist es allerdings Wingenfelder selbst, der dort landet, einerseits durch den unentschiedenen und wenig inspirierten Sound seiner Pop/Rock-Songs, und andererseits, wenn es um den Kern seiner Inhalte geht.

Er klingt bemüht, wenn er in dem Stück "1966" von einem "zerrissenen Land" singt und Helmut Kohl zurückweist: "Für den einen reicht 'die Gnade der späten Geburt' // doch nicht für mich hier ..." Andererseits geht er der Kohl'schen Weltsicht auf den Leim, wenn er im Titelsong "360° Heimat" verlangt, nunmehr wieder den aufrechten Gang zu proben: "Warum hält die Geschichte uns gefangen // hält uns so gebeugt im Gang // ... // denn mit dem Kopf nach unten // kann man ja nicht nach vorne sehen ..."

Leider lässt Wingenfelder die Beantwortung der Frage offen und fällt damit weit hinter das zurück, was andere zu diesem Thema bisher schon beigetragen haben.

Zum Beispiel Herbert Grönemeyer, der längst einen zeitgemäßeren Heimatbegriff prägte: "Heimat ist kein Ort - Heimat ist ein Gefühl." Doch eben dieses Gefühl will sich beim Hören von Wingenfelders "360° Heimat" nicht einstellen - trotz aller Vertrautheit zum Sujet.

© Michael Frost, 10.04.2006

THORSTEN WINGENFELDER LIVE

12.04. Hannover, Musikzentrum
13.04. Köln, Kantine
15.04. Reichenbach, Die Halle
16.04. Bamberg, Live Club
17.04. Aachen, Jacobshof
19.04. Meschede, Das Netz
20.04. Wuppertal, Live Club Barmen
21.04. Hamburg, Marx (Markthalle)
22.04. Berlin, Café Zapata (Tacheles)
23.04. Braunschweig, Rockcafé (Meier Music Hall)

 


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