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Ehrliche Weihnachten!

 

Als vor einigen Jahren die erste Ausgabe der "Snow - Get easy Christmas"-Compilations erschien, hielt man sprachlos den Atem an, mit welcher Inbrunst hier die heile Welt der weihnachtlich geschmückten Vorgartenidylle zelebriert wurde. Es war, als wäre man per Zeitmaschine geradewegs fünfzig Jahre rückwärts gereist, und das, was man dort zu hören kam, war von so unfreiwilliger Komik, die bis heute ihresgleichen sucht.

Das Trikont-Label hat sich für seinen aktuellen Weihnachtssampler "Wish you best Christmas ever" in der gleichen Epoche bedient, so klingt es jedenfalls, (zum Teil ging man sogar noch weiter zurück), und förderte trotzdem Ergebnisse zutage, die sich von "Snow" grundsätzlich unterscheiden.

Denn bei dieser Auswahl gehört die ironische Brechung zum Grundton. Ganz egal, ob "The Enchanters" ihren "Santa Claus" im Mambo-Rhythmus tanzen lassen, Nancy White eine alberne Hymne an die Schwangerschaft zur Weihnachtszeit schmettert ("It's so chic to be pragnant at christmas") oder "The Twang" George Michaels völlig übersprapaziertes "Last christmas" im Country-Stye (!) zu neuem Glanz verhelfen.

"Trikont macht eine Weihnachts-CD mit Songs, die man mit Vergnügen hören kann, ohne von Lametta und Glöckchen erschlagen zu werden", verkündet das Label stolz zur Veröffentlichung seiner Weihnachtslieder-Sammlung. Und auch, wenn man sich nur schwerlich vorstellen kann, jemals von Lametta (!) erschlagen zu werden, so trifft die Beschreibung dennoch zu. Gäbe es nämlich wiederkehrende Worte wie "christmas" oder "Santa Claus" in den Stücken nicht, und könnte man nicht hie und dort das eine oder andere Weihnachtslied in jazzigen Improvisationen entdecken - man könnte "Wish you best christmas ever" auch gut und gerne zu jeder anderen Jahreszeit hören.

Das gilt insbesondere für die zahlreichen Blues-Stücke, die das Album bereithält: Rick Ruffins "Xmas Baby", Little Esther Phillips mit "Far away Christmas Blues", Louis Prima ("Shake hands with Santa Claus") und Ingrid Lucia ("'Zat you, Santa Claus?").

Am Ende wird das trügerische Weihnachstidyll ausgerechnet mit einem Song der legendären Andrew Sisters vollends entlarvt. Zwar galten die von ihnen besungenen "Christmas Islands" in den 40er Jahren noch als Paradies - doch auch diese Vorstellung haben die Menschen längst selbst zerstört, und im Falle der Weihnachtsinseln wohl unwiederuflich: ab 1957 wurde der Archipel zum Atombombentestgebiet. Weihnachten, so der Subtext, mag das Fest der Besinnung sein, doch die gibt es nur für den Preis des Selbstbetrugs. Wer so viel Ehrlichkeit vertragen kann, wird an dieser großartigen Zusammenstellung viel Freude haben.

© Michael Frost, 23.12.2007

 


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