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Sinn und Sinnlichkeit


Melancholie ist in der Musik immer wieder erklärungsbedürftig. Mehr jedenfalls als exaltiertes Temperament. Doch tatsächlich sind beide Facetten in jedem Menschen angelegt, bilden die beiden Seiten derselben Medaille, und das gilt selbstredend auch für Rachael Yamagata. Doch die Sängerin mit der vielseitigen Herkunft (japanisch/italienisch/deutsch) und amerikanischem Wohnort (Woodstock) hat auf ihrem neuen - zweiten - Album den Versuch der fein säuberlichen Trennung unternommen.

"Elephant" zeigt die leise, dunkle Seite der ungewöhnlichen Künstlerin, während "Teeth sinking into heart" - der zweite Teil des Doppelalbums - in die Vollen geht. Der Vergleich mit PJ Harvey kommt nicht von ungefähr: Auch von ihr liegen Alben mit unterschiedlichen Schwerpunkten vor, wenn auch nicht so trennscharf wie bei Rachael Yamagata.

Die Grundlage für "Elephant" bildet ein Soundkonzept, das sich an die Kammermusik anlehnt. Streichinstrumente und Klavier sind nahezu allgegenwärtig, Drums und Percussions geben den Takt vor, so bleibt viel Platz für eine faszinierende, weil dunkel und introspektiv raunende Stimme. Doch Yamagata füllt den Raum nie vollends, sondern lässt zwischen den Textzeilen viele Leerstellen für Assoziationen, Spekulationen, letzte Geheimnisse, die der Zuhörer selbst füllen muss. Den Titelsong, der das Album eröffnet, wiederholt sie im Verlauf sogar noch einmal als Instrumentalversion.

Songs wie "Sunday afternoon" zeigen allerdings, dass auch sie die beiden Seiten ihrer Seele nicht wirklich voneinander trennen kann. Das neunminütige Mini-Epos bäumt sich auf, integriert zwischendurch sogar eine lärmende E-Gitarre und zeichnet so das Bild einer komplexen Persönlichkeit im Ringen zwischen Romantik, Dramatik und Hoffnung. Und umgekehrt sind die fünf Stücke auf "Teeth sinking into heart" nicht als lärmende Rocknummern konzipiert - auch wenn die Streicher und Bläser hier kaum zum Einsatz kommen. Ob also das Konzept der beiden Alben Sinn macht, kann durchaus kritisch beurteilt werden. Doch davon unabhängig lässt das Doppel "Elephant ... Teeth sinking into heart" eine sinnliche, leidenschaftliche Musikerin mit ausgeprägtem Gespür für atmosphärische Tiefe erleben. Von Rachael Yamagata dürfte in Zukunft noch häufig die Rede sein.

© Michael Frost, 02.05.2009


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