Es 
            gibt zwar im Jazz keine Berliner Schule, aber inzwischen offensichtlich 
            ein Berliner Biotop, in dem immer mehr kreative, eigenwillige Formationen 
            aufblühen. Zu den herausragenden Neulingen gehört das Quartett 
            "y move", dessen Debüt jetzt erschienen ist. "Y 
            move", das sind die Sängerin Yelena K, der Pianist und Komponist 
            Andreas Schmidt, Drummer Rainer Winch und Anne Lieberwirth am Bass. 
            Andreas Schmidt ist schon aus anderen Zusammenhängen bekannt, 
            er hat u.a. mit dem Lisa Bassenge-Trio und mit dem Katja Riemann-Oktett 
            zusammen gearbeitet. 
          Als 
            Korrepetitor an der Hanns-Eisler-Hochschule und als Klavierlehrer 
            Yelena Ks hat er ihre Stimme entdeckt, eine charakterstarke Altstimme 
            mit einem an Betty Carter erinnernden rauchig-intimen Timbre, eine 
            Stimme, die den kräftig röhrenden Soul ebenso stilsicher 
            beherrscht wie den warmen und geheimnisvoll leisen Tonfall. 
          Yelena 
            K ist im besten Sinn eine virtuose Vokalistin, sie macht ihre Stimme 
            zum Instrument, das in den Cool-Jazz-Szenarien des Komponisten Andreas 
            Schmidt vor allem mit dem Piano im Zwiegespräch steht. Schmidt 
            betont das nachlässig Schleppende, dem auch die Bassistin Anne 
            Lieberwirth mit wunderbar verzögerten Bassläufen nachgibt, 
            gelegentlich darf der Drummer gegen diesen Hang zur Langsamkeit mit 
            klaren Beats und heftigem Drive angehen. 
          Zu 
            den besonderen Überraschungen des Albums gehören zwei Beatles-Stücke: 
            John Lennons Friedenshymne "Imagine" wird hier durch kühle 
            Verfremdung vor dem Absturz in die Kitsch-Zone überzeugend gerettet. 
            Der Song klingt im Arrangement von Andreas Schmidt vertraut und radikal 
            anders zugleich, ein langsames Trompetensolo - Sebastian Studnitzky 
            mit angenehm rauer Färbung - wird zum melancholisch unterkühlten 
            Klageruf. Der populäre Friedenstraum wirkt von Anfang bis Ende 
            dank Yelenas Stimme wie eine ängstlich aufgeworfene Frage, auf 
            die - anders als Anfang der 70-er Jahre - keine eindeutige Antwort 
            mehr erwartet wird. 
          Viel 
            Witz blitzt daneben in Paul McCartneys "When I´m 64" 
            auf, hier als ausrangierte Dixieland-Platte mit Rissen arrangiert, 
            in dem die Anschlüsse nicht mehr passen wollen und die Tonhöhen 
            und Tempi permanent wechseln. Verspielt und sanft swingend kommt Yelenas 
            Stimme in dem Bing-Crosby-Titel "Ghost of a chance" zur 
            Geltung, bei dem sie vom Produzenten Andy Fite mit Stimme und Gitarre 
            souverän begleitet wird. "y move" wollen zwar unterhalten, 
            aber sie verzichten auf alle Glätte. 
          Das 
            musikalische Gewebe ist erfrischend unkonventionell, in den Kompositionen 
            von Andreas Schmidt erhalten alle Musiker Gelegenheit, sich auch solistisch 
            zu beweisen, vor allem zeigen sie jedoch, wie konzentriert und intensiv 
            sie als Ensemble agieren. Wir wünschen diesem beweglichen Quartett, 
            dass ihm die starke Stimme von Yelena K nicht so bald abhanden kommt, 
            denn diese junge Sängerin hat Weltklasse-Format, und das kann 
            ein Grund sein, sie zum Kurswechsel in seichtere Gewässer zu 
            bewegen. 
          © 
            Hans Happel, 02.06.2006