Für 
          einige Stunden wurde einer der größten Plätze Roms, 
          die Piazza del Popolo (Platz des Volkes) am 28. Mai 2005 zur "Piazza 
          del popolo africano". Der Anlass: Zum zweiten Mal beging ein breites 
          Bündnis italienischer Gewerkschaften, Politiker, Bürgerinitiativen 
          und religiöser Gemeinschaften das Festival "Italiafrica", 
          um auf die Verantwortung der reichen Staaten Europas für das Schicksal 
          der so genannten "3. Welt" aufmerksam zu machen. Die Italiener 
          demonstrieren damit auch gegen ihre eigene Regierung, die 2004 gerade 
          einmal 0,15% des Bruttonationaleinkommes in die Entwicklungshilfe investierte. 
          In Deutschland waren es im selben Zeitraum zwar 0,28%, doch die Vorgabe 
          der UNO, wonach die Industrienationen einen Wert von mindestens 0.7% 
          erreichen sollten, erfüllen weltweit lediglich die skandinavischen 
          Länder, Luxemburg und die Niederlande. 
          So 
            war es vielleicht die Scham, die Tausende von Italienern und Auswärtige 
            auf die Piazza del Popolo trieb, um an einer Solidaritätskundgebung 
            mit Afrika teilzunehmen. Doch ebenso bedeutsam (und erfolgreich) erscheint 
            die Verknüpfung des politischen Protestes mit einem Kulturfestival, 
            live und open air. Das Programm, das von der "Cantautrice" 
            Carmen Consoli zusammengestellt worden war, hatte es tatsächlich 
            in sich: Angélique Kidjo gehörte dazu, die Consoli selbst, 
            Max Gazzé - und zwei aufsteigende Sterne am Himmel der Weltmusik: 
            Amadou & Mariam. Das Duo aus Mali hinterließ überall, 
            wo es bislang zu hören war, bleibenden Eindruck: sowieso in Afrika, 
            aber auch auf dem Roskilde-Festival in Dänemark, in Frankreich, 
            in Rom, und momentan an der Seite Herbert Grönemeyers zur Fußball-WM 
            mit dem Song "Zeit, dass sich was dreht", und als Motto 
            gilt der Titel auch für das besondere Anliegen der beiden Musiker: 
            Afrikas Zukunft.
          Amadou 
            und Mariam sind das "Couple aveugle de Mali", das blinde 
            Paar aus Mali. Tatsächlich können beide nicht sehen. Sie 
            lernten sich in den 70er Jahren in einem Institut für Blinde 
            in ihrer Heimat kennen. Amadou spielte Gitarre, und Mariam sang auf 
            Festen. Seither arbeiten und leben beide zusammen. Von Westafrika 
            aus, wo sie schnell zu großer Popularität aufstiegen, erreichten 
            sie alsbald, wie so viele andere afrikanische Musiker vor und nach 
            ihnen, Paris. Dort veröffentlichten sie auch ihr internationales 
            Debüt "Sou ni tile", dann "Wati" und nun 
            "Dimanche a Bamako", ein Album, das bereits beim erstmaligen 
            Hören seltsam vertraut erscheint und sich spästestens beim 
            zweiten Mal in den Gehörgängen festsetzt, während der 
            Rhythmus in die Beine geht und den Puls antreibt.
          Das 
            liegt nicht nur an der Wärme, die das Duo aus Mali ausstrahlt, 
            an der Leichtigkeit, mit der auch ihre kritischeren Texte unter die 
            Haut gehen, sondern auch an ihrem Produzenten Manu Chao, ehemals Gründer 
            der Latin-Punk-Folk-Rai-Band Mano Negra, heute einer der gefragtesten 
            Weltmusiker überhaupt. Er, der in den letzten Jahren vor allem 
            in Spanien und Südamerika unterwegs war, hatte sich schon vor 
            geraumer Zeit von Amadou und Mariam begeistern lassen. Gemeinsam entwickelten 
            sie für "Dimanche a Bamako" ein gänzlich untypisches 
            Konzept, bei dem sich afrikanische Rhythmen, politischer Anspruch, 
            Latino-Temperament und europäischer Pop wie selbstverständlich 
            ineinanderfügen. 
          Mit 
            ihren selbstbewussten Angriffen auf korrupte Politiker ("Politic 
            amagni"), die Heuchelei der Menschen ("Gnidjougouya") 
            und die Beschwörung der Einheit des afrikanischen Kontinents 
            ("La paix") werden Amadou und Mariam zum gewichtigen Sprachrohr 
            von Bürgerrechtlern. Doch mit gleicher Intensität und Hingabe 
            besingen sie ihre Liebe ("Je t'aime jusqu'à la mort", 
            "M'bifé") in zärtlichen Worten. 
          So 
            bietet "Dimanche à Bamako" alle Chancen für 
            den endgültigen Durchbruch dieses beeindruckenden Duos. In Frankreich 
            wurde das Album bereits mit dem "Victoire de la Musique", 
            dem Grammy-Pendant, ausgezeichnet, die italienische Presse war bereits 
            vor ihrem Auftritt in Rom voll des Lobes, hinterher sogar euphorisch, 
            und in Deutschland wird die CD nun, anlässlich der Kooperation 
            von Amadou & Mariam mit Herbert Grönemeyer, nochmals neu 
            veröffentlicht: Zeit, dass sich was dreht.
           
          © 
            Michael Frost, 01. Juni 2005
            Update: 08.06.2006