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Gitarren statt Waffen


Nicht jedem ist das biblische Alter eines Johannes Heesters gegönnt. Und doch gibt es einige, die erst zu einem Zeitpunkt zur internationalen Berühmtheit wurden, als andere sich längst in den Ruhestand oder die öffentliche Vergessenheit verabschiedet hatten. Compay Segundo war 90 Jahre alt, als Ry Cooder ihn und seine früheren Kollegen vom "Buena Vista Social Club" ins Aufnahmestudio holte, und 91, als Wim Wenders die Seniorentruppe aus Havanna endgültig weltberühmt machte.

1907 wurde Compay Segundo als Francisco Repilado Munoz in der Nähe von Santiago de Cuba geboren. Seine Liebe zur Musik soll er schon sehr früh entdeckt haben. "Wenn es mehr Menschen mit Gitarren als mit Waffen gäbe, würde die Welt sich ändern", soll er einmal gesagt haben. Doch statt der Musik arbeitete Compay Segundo zunächst als Zigarrendreher. Allerdings nahm er nebenbei Gesangsunterricht - Gitarre und Bongos spielte er schon vorher - und komponierte mit 15 seine ersten Lieder.

Wie auch seine Kollegen brachte Compay Segundo es seit den 40er Jahren zu bescheidener Berühmtheit. Mit seinem Partner Lorenzo Hierrezuelo bildete er das erfolgreiche Duo "Los Compadres", das allerdings 1955 auseinander ging. Compay Segundo arbeitete wieder als Zigarrendreher, kehrte der Musik allerdings niemals ganz den Rücken. So zählte er, obgleich länger nicht mehr aktiv, schon vor den Aufnahmen mit Ry Cooder zu den Legenden kubanischer Musik. 1994 wurde die internationalse Musikszene auf ihn aufmerksam, als er mit seinem Quartett "Compay Segundo y sus Muchachos" in Spanien gastierte.

Bis dahin war Compay Segundo fast ausschließlich in Kuba aufgetreten. Der "Buena Vista Social Club" in Havanna war dabei ein wichtiger Auftrittsort, doch die Zahl der Musiker, die dort spielten, war natürlich weitaus größer als die Band, die Ry Cooer und Wim Wenders Ende der 1990er Jahre für ihre Projekte formierte.

Pio Leyva etwa ist ein Musiker, der abseits des "BVSC" berühmt wurde, und doch ist er ein Weggefährte Compay Segundso. 1957 nahmen sie gerade "La juma de ayer" auf, während die Revolutionstruppen Castros und Che Guevaras in Havanna einmarschierten. Fertig wurde die Aufnahme erst vierzig Jahre später - Compay Segundo veröffentlichte sie 2002 auf seinem letzten Album, auf dem er im Duett mit so großartigen Kollegen wie Cesaria Evora, Charles Aznavour und Khaled zu hören ist, und natürlich mit der Buena Vista-Diva Omara Portuondo.

2003 starb Compay Segundo. Gearbeitet, gesungen und gespielt hatte er bis zum Schluss. Und da er Zeit seines Lebens ein Livemusiker war, für den Schallplattenaufnahmen von untergeordneter Bedeutung waren, gilt sein Repertoire heute als "Unüberschaubar". So muss also auch die Hommage, die seine Plattenfirma zu seinem 100. Geburtstag am 18. November 2007 veröffentlichte, mit Aufnahmen auskommen, die Compay Segundo seit den 90er Jahren einspielte - doch auch davon gibt es reichlich. "Cien anos" ist ein Doppelalbum mit 28 wunderschönen Boleros, Guarachas und Son- Klassikern, darunter auch einige der erwähnten Duettaufnahmen mit Aznavour, Pio Leyva, Khaled und Omara Portuondo.

In Kuba, so heißt es heute noch manchmal, kann man sich den weltweiten Erfolg von Compay Segundo & Co. manchmal nicht erklären - denn natürlich hört man auch dort längst andere, am internationalen Mainstream orientierte Sounds. Und doch haben die Sänger und Instrumentalisten des Buena Vista Social Club den Einfluss kubanischer Musik auf eben diesen Mainstream spürbar vergrößert.

Für Compay Segundo - und mehr noch für die Fans lateinamerikanischer Musik - hat es sich gelohnt, zur Gitarre zu greifen.

© Michael Frost, 09.12.2007

 

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