Sie 
          war 2004 eine der beeindruckendsten internationalen Neuentdeckungen: 
          Feist. Die Kanadierin mit der einschmeichelnden Stimme und einem Sound 
          aus allem, was spannend ist, machte fast gleichzeitig durch mehrere 
          Projekte von sich reden: als Duettpartnerin von Jane Birkin auf deren 
          Album "Rendez-vous", als Gastsängerin auf der zweiten 
          CD der Kings of Convenience ("Riot on an empty street"). Anschließend 
          veröffentlichte sie ihr gefeiertes Album: "Let it die". 
          Nun, ganze drei Jahre später, folgt "The reminder" - 
          ein nicht weniger großer Wurf.  
          "Stark 
            auf den Gesang ausgerichtet" sei ihre Musik, hieß es im 
            begleitenden Pressetext ihrer Plattenfirma über "Let it 
            die". Der Satz könnte auch heute wieder gelten und wäre 
            weiterhin eine glatte Untertreibung: selten in der aktuellen Musikszene 
            traten die Instrumentierungen wohl so weit hinter den Gesang einer 
            Interpretin zurück. Die zurückgenommenen akustischen Arrangements 
            stellten nur ein einziges Element in den Vordergrund: Feist selbst, 
            angesiedelt zwischen Post Rock, Alternative Pop und Neo Folk. 
          Dem, 
            was auch auf "The Reminder" wieder so spielerisch leicht 
            und unverkrampft klingt, muss eine ausgefeilte Arbeit vorangegangen 
            sein. Feist erwarb sich die nötigen Erfahrungen ausgerechnet 
            in einer Punkband. Heute ist Feist eine Meisterin der leisen Töne, 
            und doch bleibt eine Ahnung der Kraft, die in ihr steckt, eine Tiefe, 
            die vielen ihrer Kolleginnen fehlt, weil sie nicht über die gleiche 
            Modulationsfähigkeit verfügen.
          Feist 
            gehört sicherlich zur Grupper der so genannten "Singer/Songwriter", 
            und doch ist "The reminder" - wie schon der Vorgänger 
            - kein typisches Songwriter-Album. Gemeinsam mit Chilly Gonzales und 
            ihrer Live-Band quartierte sie sich in Paris ein und nahm die Songs 
            in heimeliger Wohnatmosphäre auf: Zu weiten Teilen, so die Presse-Legende, 
            seien die Songs im Schlaganzug aufgenommen worden. Doch auch, wenn 
            dies nur ein PR-Gag sein sollte - zum spontanen, unangestrengten Klang 
            des Albums passt die Geschichte von der vermeintlichen Pyjama-Party.
          Keine 
            (Ver-)Kleidung, keine Maskerade, das technische Equipment auf das 
            Nötigste begrenzt: "The reminder" ist großartig 
            dank seiner Direktheit, der klaren Linien des Gesangs und dem geradlinigen 
            Spiel der Band mitreißend in seinen spontan wirkenden Emotionen 
            - sowohl in den ruhigeren Balladen als auch in den rockigeren Passagen.
          Bewundernswert 
            ist die Gratwanderung, die Feist zwischen echter Melancholie und aufgesetzter 
            Sentimentalität zurücklegt. Niemals verliert sie die Balance, 
            niemals gleitet sie ab, und zwischendurch begeistern ihre ausgelassenen 
            Intermezzi (z.B. der Song "1234"), mit denen der Wolken 
            verhangene Himmel aufreißt und das Sonnenlicht die Szenerie 
            beleuchtet. 
          © 
            Michael Frost, 21.04.2007