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Relax !


Fünf Briten mischten Anfang der 80er den Musikmarkt auf. Bombastische, manchmal fast opernhafte Klänge, gemischt mit dem gezielt gestreuten Image schwuler Orgien und Obsessionen, galten Frankie goes to Hollywood bei Erscheinen Ende 1983 ihrer ersten Single "Relax" als der Skandal der Popwelt.

Biedere Radiomacher wähnten verruchte Texte, fürchteten um das Wohlergehen der Jugend im thatcherisierten Britannien und weigerten sich fortan, "Relax" auf BBC zu spielen. Auch das Video wurde nicht gezeigt.

Ein Glücksfall für jede Band, zumal für eine vom Schlage Frankie goes to Hollywood: Skandal-Geschrei, Zensur und eine ungemein clevere Selbstinszenierung der Band trieben die Verkaufszahlen erst recht in die Höhe, die Band wurde auf einen Schlag berühmt - und berüchtigt.

Und als der Debut-Single schließlich das donnernde Album "Welcome to the pleasuredome" (damals noch als Doppel-LP) folgte, gab es kein Halten mehr: Europa tanzte und feierte die Helden einer neuen Zeit, in der Lust und Spaß die Angst vor der Apokalypse verdrängte oder wenigstens ironisierte. Ihre Musik war Teil der Botschaft: Mit Pauken und Trompeten, Symphonie und Syntheziser verliehen sie der Botschaft von Lust und Leben krachenden Nachdruck.

Schwule müssen sich seit Frankie goes to Hollywood nicht mehr hinter seichten Schlagern verstecken, sondern mit ihnen ging die Szene in die Offensive und startete unter Führung der Lead-Sänger Holly Johnson und Paul Rutherford den Durchmarsch vom Darkroom in die Charts: Frechheit siegt, und wer Spaß hat, hat Recht.

Kein Wunder, dass die Konservativen so große Angst vor dieser neuen, sämtliche Tabus brechenden Art des Pop-Entertainment hatten, die zeitnahe Unterstützung durch Künstler wie Soft Cell, Jimmy Somerville und jenseits des Atlantik durch Prince und Madonna erfuhr.

Keine Frage: Das war in der Ära vor AIDS, und das Zusammentreffen der mit der Ausbreitung des HI-Virus kollektiven Angst vor der Ansteckung und dem Karriere-Aus von Frankie goes to Hollywood ist aus heutiger Sicht kein Zufall gewesen. Das von ihnen zelebrierte Credo des "Pleasuredomes" war unter den neuen Bedingungen nicht aufrechtzuerhalten.

Als Holly Johnson selbst seine Infizierung mit dem Virus bekannt gab, war der Spaß endgültig verflogen. Auch seine Solo-Projekte konnten nicht kaschieren, dass die schwule Party-Ära unwiderruflich und brutale Weise beendet war.

"Relax" und die anderen Titel aber sind der Ausdruck einer ganz bestimmten Zeit, in der ein neues Selbstbewusstsein der Schwulenbewegung entstand. Der daraus erwachsene Zusammenhalt ermöglichte es überhaupt nur, neuen Anfeindungen und Repressionen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von AIDS zu begegnen.

Keine Frage, dass Frankie goes to Hollywood an dieser neuen Emanzipation einen Anteil haben. Was sie begannen, setzt sich heute auf den Paraden am Christopher Street Day fort.

MF / 7. November 2000

 

 

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