Geradezu 
          phänomenal begann der Vorverkauf der im Herbst beginnenden Tour: 
          Schon kurze Zeit nach Bekanntgabe sind die ersten Konzerte ausverkauft, 
          zusätzliche Auftritte wurden eingeschoben, es besteht kein Zweifel: 
          Die Nachfrage ist durchweg größer als das Angebot, sehnsüchtig 
          haben deutsche Musikfans die Rückkehr von Herbert Grönemeyer 
          erwartet.
          
           
            "Mensch", 
              so der ebenso schlichte wie grundsätzliche Titel von Album, 
              Tour und Single seiner Rückkehr, ist der Beginn eines neuen 
              Abschnitts in Grönemeyers Karriere. Nach dem tragischen Tod 
              seiner Frau versucht er, wie nach einem Unfall wieder laufen zu 
              lernen, wie er sagt. Auch wenn es schwer fällt: Ohne Musik 
              geht es nicht. 
           
           
            
              Dabei war das Interesse an Grönemeyers Musik nicht immer so 
              ungeteilt: zu ernst, zu pädagogisch, zu humorlos, zu sehr an 
              "deutschen Befindlichkeiten" orientiert, lauteten einige 
              der gängigen (Vor-)Urteile, und tatsächlich hat Grönemeyer, 
              immer Stellung zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen 
              genommen, von der der Barschel-Affäre ("Mit Gott") 
              bis zum Rechtsextremismus ("Die Härte"), nicht zu 
              vergessen seine Hymne "Kinder an die Macht" und das wunderschöne 
              "Heimat", Grönemeyers Antwort auf die unselige "Leitkultur"-Debatte: 
              "Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl". 
           
           
            
              Seine Herkunft mag für die Schärfung seines sozialen Gewissens 
              verantwortlich sein: Das seiner Heimatstadt Bochum gewidmete Lied 
              ist legendär, und auch wenn er seine Liebeserklärung an 
              die spröde Ruhrpottmetropole heute lachend als "Rumpelrock" 
              qualifiziert, so ist sie aus seinen Konzertprogrammen doch nicht 
              wegzudenken.
           
           
            
              Erst seit "Bochum" konzentriert er sich vollends auf die 
              musikalische Karriere. Bis dahin hatte er zwar bereits einige bemerkenswerte 
              Alben veröffentlicht, mit denen er sich als Vertreter einer 
              neuen Liedermacher-Generation profilierte, in der Hauptsache jedoch 
              arbetiete er am Schauspielhaus Bochum als musikalischer Leiter und 
              Schauspieler. Bekannt wurde er außerdem durch seine Rolle 
              in der Verfilmung des Buchheim-Romans "Das Boot" durch 
              Regisseur Wolfgang Petersen.
           
           
            
              Neben "Bochum" wurde auch "Männer" ein 
              Riesen-Hit der 80er. Das Lied ist ein ironisches Plädoyer für 
              das ehemals "starke" Geschlecht unter den veränderten 
              Bedingungen der Frauenbewegung, eine Standortbestimmung einer ganzen 
              Generation maskulinen Nachwuchses in Zeiten der Orientierungslosigkeit. 
              "Flugzeuge im Bauch", auch vom Album "Bochum", 
              trat dagegen den Beweis an, dass Liebeslieder in deutscher Sprache 
              nicht zwangsläufig zum Schlager-Kitsch verdammt sind. Überhaupt 
              gehören die ruhigen, manchmal melancholischen Balladen zu seinen 
              lange unterschätzten Titeln: "Morgenrot", "Halt 
              mich", "Schmetterlinge im Eis" ... sind nicht nur 
              jeweils stimmungsvoll nahezu perfekt arrangiert, sondern zeigen 
              auch textlich eine ungeheure emotionale Stärke, wie man sie 
              in der deutschen Popmusik - spätestens seit dem Tod von Rio 
              Reiser - kein zweites Mal findet. 
           
           
            
              Einen glänzenden Einblick in diese zart fühlende Seite 
              Grönemeyers gewährt vor allem sein "Unplugged"-Album 
              von 1994. Grönemeyer war der erste deutsche Musiker, der von 
              MTV zu einem Aktustik-Konzert der "Unplugged"-Reihe eingeladen 
              wurde, das dann in den Babelsberger Studios aufgenommen wurde. Viele 
              seiner Klassiker klingen unter den Bedingungen akustischer Instrumentierung 
              wie runderneuert, von jedem Ballast befreit, was nicht nur den intimen 
              Charakter der Balladen verstärkt, sondern auch die energievollen 
              Rhythmen schnellerer Stücke wie "Luxus" oder "Was 
              soll das" hervorhebt.
           
           
            
              "Grönemeyer unplugged" eröffnete - in dieser 
              komprimierten Form erstmalig - den Blick für die musikalischen 
              Qualitäten des Bochumers. Der ihm gegenüber oft erhobene 
              Vorwurf der Textlastigkeit (sofern ein solcher Vorwurf überhaupt 
              legitim ist) hatte allzu lang zur Vernachlässigung der Beobachtung 
              siener Fähigkeiten als Komponist und Arrangeur geführt, 
              doch bei genauerem Hinhören wird die Entwicklung Grönemeyers 
              auf diesem Gebiet mehr als deutlich.
           
           
            
              Spätestens seit seinem Album "Bleibt alles anders" 
              und seinen Auftritten mit dem Hannover Pops Orchestra unter der 
              Leitung des famosen Nick Ingman (dokumentiert auf der phantastischen 
              DVD/CD "Stand der Dinge") ist klar, dass Grönemeyer 
              den Anschluss an die internationale Musikszene gesucht - und gefunden 
              hat, man höre sich unter diesem Aspekt nur einmal Titel wie 
              "Bleibt alles anders" oder "Stand der Dinge" 
              an. Der Feststellung, wie sehr hier Einflüsse aus der Drums'n'Bass-Szene 
              und dem Triphop durchschlagen, kann man kaum entgehen.
           
           
            
              Dass diese Focussierung auf die Musik nicht zwangsläufig zu 
              Lasten der textlichen Qualitäten geht, belegt "Mensch", 
              Grönemeyers erste Single seit langem, ein warmherziges Bekenntnis 
              zu den positiven Eigenschaften der Spezies. Irritiert nimmt man 
              zur Kenntnis, dass die meisten seiner Texte, vielleicht auch dieser, 
              quasi "nebenbei" entstehen: Zuerst komme die Musik, sagt 
              Grönemeyer, dann singe er irgendein unzusammenhängendes 
              und sinnloses Kauderwelsch dazu, und am liebsten würde er es 
              manchmal auch dabei belassen. Man mag ihm das kaum abnehmen, zu 
              sehr gehören Musik und Text bei ihm zusammen, sie bedingen 
              einander und verstärken gegenseitig den Ausdruck:
           
           
             
               
                "Und 
                  der Mensch heißt Mensch,
                  weil er irrt und weil er kämpft,
                  weil er hofft und liebt,
                  weil er mitfühlt und vergibt,
                  und weil er lacht und weil er lebt - du fehlst."