Über 
            die "Mademoiselle" ist sie längst hinausgewachsen. 
            Heute nennt man sie "La Kaas", was für deutschsprachige 
            Ohren zwar nicht besonders elegant klingt, aber ihren Status deutlich 
            macht: Patricia Kaas wird bewundert und verehrt, und ihr internationaler 
            Erfolg ist für eine Künstlerin, die hauptsächlich französische 
            Chansons vorträgt, geradezu phänomenal. 
          Immer 
            wieder ist Patricia Kaas mit ihrer Musik auch in Deutschland präsent. 
            Ihre Mutter ist Deutsche, und gemeinsam mit ihren Eltern und sechs 
            Geschwistern wuchs sie in Lothringen, in direkter Nachbarschaft zur 
            Grenze nach Deutschland auf. Ihre ersten Bühnenauftritte 
            absolvierte sie sogar diesseits der Grenze: in Saarbrücken. 
          Obwohl 
            sie perfekt Deutsch spricht, ist Patricia Kaas jedoch nie den Weg 
            vieler ihrer französischen Kolleginnen gegangen, die um des Erfolges 
            Willen extra deutschsprachige Platten produzierten. Lediglich auf 
            ihrem 1993er Album "Je te dis vous" findet sich ein Lied 
            in deutscher Sprache: "Ganz und gar", Adaption eines Stücks 
            von Marius Müller Westernhagen. Weshalb sie ausgerechnet dieses 
            Lied wählte, bleibt aber angesichts so absurder Textzeilen wie 
            "Glaubst du deiner Mutter, wenn sie schwört auf gute Butter 
            ..." mehr als unverständlich. 
          Der 
            eigentliche Karrierestart begann in Paris, wo Patricia Kaas schnell 
            Kontakt zu wichtigen Komponisten, Textern und Produzenten fand. Einer 
            der ersten Titel, der für sie geschrieben wurde, war "Mademoiselle 
            chante le blues", wurde Titel-Song ihres sensationellen Platten-Debüts: 
            Weltweit wurden 2,5 Mio. Exemplare verkauft. 
          Auch 
            mit ihrem zweiten Album "Scène de vie" setzte sie 
            in musikalischer Hinsicht den eingeschlagenen Weg zwischen Chanson, 
            Blues und Jazz fort. Der ausgeprägte Bar-Sound von Liedern und 
            Arrangements begründete gemeinsam mit dem lasziven und rauchigen 
            Timbre ihrer Stimme die besondere Ausstrahlung von Patricia Kaas - 
            Kritiker und Fans meinten immer wieder, in ihr einen Hauch Marlene 
            Dietrich entdecken zu können. 
          Doch 
            aus der unnahbaren Patricia Kaas wird live eine Femme fatale, wie 
            bereits ihr erstes Live-Doppelalbum belegt: "Carnets de scène" 
            wurde an zwei Abenden 1990 im legendären "Zenith" in 
            Paris mitgeschnitten und präsentiert Patricia Kaas als pulsierenden 
            Vulkan, der weit davon entfernt ist, sich mit höflichem Applaus 
            ihres schöngeistigen Publikums zu begnügen: Mademoiselle 
            chante Soul, Funk, Jazz und Pop und reißt die Leute temperamentvoll 
            aus den Sitzen.
          Mit 
            "Je te dis vous", ihrem dritten Studioalbum, gewinnt der 
            Chanson-orientierte Anteil im Repertoire von Patricia Kaas erstmals 
            die Oberhand. Ruhige, melancholische und poetische Balladen bestimmen 
            seitdem überwiegend ihren Sound, Blues- und Soul-Rhyhthmen finden 
            sich nur noch vereinzelt (z.B. in ihrer Version von James Browns "It's 
            a man's world"). 
          In 
            Frankreich, aber auch darüber hinaus, gehört sie spätestens 
            seit Mitte der 90er Jahre zur ersten Garde der Musik-Szene. An allen 
            größeren Ereignissen ist sie beteiligt, so nahm sie an 
            Michael Jacksons Benefiz-Konzerten teil, sang mit Pavarotti & 
            Friends, war die erste Französin, die seit Ende des Vietnam-Kriegs 
            in Hanoi auftrat - die Liste herausragender Ereignisse ist schier 
            endlos. 
          Immer 
            wieder jedoch, nicht nur live, zeigt sie sich von ihrer Blues- und 
            Jazz-betonten Seite, so etwa auf der herausragenden Compilation "Jazz 
            à Saint Germain", auf der sie mit ihrer Version des 
            Klassikers "Black coffee" brilliert.
          Inzwischen 
            hat sie auch mehr als nur einen kleinen Blick ins Schauspielfach geworfen. 
            An der Seite von Jeremy Irons spielt Patricia Kaas in "And now 
            ... Ladies & Gentlemen" von Claude Lelouche. Parallel hat 
            sie die Musik zum Film auf einem neuen Album eingespielt: "Piano 
            Bar", so der Titel, ist die traditionelle Heimat des Chansons, 
            und mit ihren Neuaufnahmen von Titeln, mit denen schon Edith Piaf, 
            Charles Aznavour, Henri Salvador, Charles Trenet und Gilbert Becaud 
            Weltruhm erlangten, reiht sie sich nahtlos in die illustre Liste historischer 
            Gesangskünstler ein.
          Die 
            Klassiker wurden komplett überarbeitet und modernisiert: In Wirklichkeit 
            ist die Piano-Bar längst eine Late night lounge, und der neuen 
            Zeit entsprechend singt Patricia Kaas erstmals fast komplett Englisch. 
            
          Teils 
            klingen die neuen Arrangements sehr mutig - "Syracuse" etwa 
            wurde mit Nujazz-Elementen und Scratches unterlegt, doch nicht allen 
            Titeln bekommt die entspannte "Chillout"-Atmosphäre 
            so gut: Patricia Kaas' "If you go away" ist gegenüber 
            dem dramatisch-abgründigen Brel-Original "Ne me quitte pas" 
            doch etwas zu weich gespült, wo er noch pure Verzweiflung auszudrücken 
            wusste, bleibt es bei ihr seltsam leer - vielleicht symptomatisch 
            für unsere Zeit, aber tatsächlich enttäuschend, und 
            bezogen auf "Piano Bar" zum Glück ein Einzelfall.
          Denn 
            trotz gelegentlicher Ausrutscher bleibt die Faszination ihrer Arbeit 
            ungebrochen: Patricia Kaas hat "Piano Bar" exakt zu dem 
            Album gemacht, das sie beabsichtigte:
           
            "Mit 
              diesem Album wollte ich meine persönliche Vision darüber, 
              was französischer Chanson in der heutigen Zeit bedeuten kann, 
              verwirklichen."
          
           
          Michael 
            Frost, 15. Mai 2002
           
 
            Patricia Kaas - If You Go Away [Windows Media Audio]