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Heimat Babylon


Der Vater ist Franzose, die Mutter stammt aus Kamerun. Hélène und Célia Faussart, die beiden Töchter, kamen in Paris auf die Welt, wuchsen im Tschad auf und sind nunmehr auf der ganzen Welt zu Hause. Das möchte man jedenfalls annehmen, wenn man ihre Musik hört. "Les Nubians", wie die beiden sich seit ihrem Album-Debüt von 1998 ("Les Princesses Nubiennes") nennen, spielen virtuos mit Klischees und Kulturen, ihre Musik ist völlig unberechenbar. Wenn ihre Plattenfirma sie als "Afroeuropäisches Hiphop/R&B-Duo" vorstellt, ist damit gerade ein Bruchteil ihres tatsächlichen Könnens vorgestellt.

Randvoll bepackt ist "One Step Forward", das neue Album der Schwestern, und keineswegs nur mit Hiphop oder R&B. Da mischt sich französisches Chanson mit Soul und Funk, Jamaika-Reggae und mexikanischen Mariachi-Gesängen, dann wieder brillieren sie mit einem lupenreinen Bossanova; es ist völlig unabsehbar, welche rhythmische Wendung einer ihrer Titel schon im nächsten Augenblick nehmen kann. Jeder Rhythmus findet auch seine sprachliche Entsprechung: Man hört Französisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch - das musikalische und sprachliche Gemisch der Nubians erreicht babylonische Ausmaße.

Seit der Rückkehr von Hélène und Célia nach Frankreich stehen die beiden Schwestern auf der Bühne. Erste Auftritte absolvierten sie in der Provinz. Das Repertoire ihrer Gigs bestand hauptsächlich aus Coverversionen von Bob Marley, Nina Simone und Miriam Makeba. Jazz in seinen unterschiedlichen Färbungen gehört zu den großen Leidenschaften der beiden Schwestern. Also zögerten sie nicht, als sie 1997 eingeladen wurden, sich an dem Album-Projekt "Jazz à Saint Germain" zu beteiligen, mit dem aktuelle Stars der französischen und internationalen Jazz- und Popszene von Patricia Kaas bis Cathérine Ringer (Les Rita Mitsouko) und Debbie Harry die Atmosphäre der Pariser Jazz-Clubs der 50er und 60er Jahre wieder auferstehen lassen wollten.

Ihr Album-Debüt im darauf folgenden Jahr geriet nicht nur in Frankreich, sondern in den USA zum Überraschungserfolg. Mit einer Mischung aus eigenen Kompositionen und Coverversionen (darunter "Tabou", die französischsprachige Version eines Sade-Titels) wird "Princesses Nubiennes" in den USA zum erfolgreichsten französischen Album des Jahrzehnts. Die Selbstbeschreibung der Schwestern als "Afropéen" - afroeuropäisch - ist dabei mehr als nur eine Anleihe bei der Bürgerrechtsbewegung des afroamerikanischen Bevölkerungsteils in den USA. Les Nubians demonstrieren damit sowohl Selbstbewusstsein als auch den Anspruch, die Grenzen zwischen Europa und Afrika zu überwinden: "Viele der Sounds der zwei Kulturen wurden so lange voneinander getrennt, aber die Musik kann eine Brücke sein, auf der die Leute sich begegnen können."

Mit ihrem zweiten Album "One Step Forward" sind Les Nubians tatsächlich einen Schritt vorangekommen, in Wahrheit dürften es sogar einige mehr sein. Die fünfzehn CD-Titel beleuchten den musikalischen Kosmos von Hélène und Célia Faussart kaleidoskopartig. Klangfarben, Stile, Rhythmen und Stimmungen werden hemmungslos durcheinander geschüttelt und ergeben ständig neue Bilder. Unterstützung holten sie sich unter anderem bei Manu Dibango, dem Pianisten Ray Lema und dem Star der "Nouvelle Scène" des frankophonen Pop Benjamin Biolay.

© Michael Frost, 01. April 2003

 


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