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Das Bühnen-Phänomen


Etta Scollo ist ein Phänomen. Ihr Bekanntheitsgrad ist erstaunlich hoch, obwohl sie in den Medien, etwa im Fernsehen, nur selten vertreten ist, im Radio taugt sie "nur" für das Kulturprogramm, nicht aber für die Dauer-Rotation vermeintlicher "Hit"-Singles. Statt dessen lächelt sie republikweit regelmäßig von den Litfaß-Säulen jeder Stadt, die auch nur annähernd über etwas verfügt, was man "Bühne" nennen könnte; auch Etta Scollo ist seit Jahren auf einer "Never ending Tour", und wenn ihr Ankündigungsplakat in einem Ort gerade einmal - ausnahmsweise, versteht sich - überklebt wird, dann dauert es maximal ein halbes Jahr, bis sie wieder in der Nähe ist.

Etta Scollo ist eine Künstlerin, natürlich. Aber sie ist auch eine Arbeiterin, und zwar eine der fleißigsten ihrer Branche. Die Zahl ihrer Auftritte pro Jahr ist enorm, und allein durch diesen Konzert-Marathon hat sie sich ihre herausragende Position erkämpft bzw. ersungen, ihren Namen zu einer festen Größe gemacht, einen Plattenvertrag mit der Sony-Tochter "Columbia" erhalten, bislang zwei Studio-Alben aufgenommen - und jetzt auch ein lang erwartetes Live-Album veröffentlicht.

Geboren wurde Etta Scollo im sizilianischen Catania. Obwohl sie schon während der Schulzeit ihre ersten Lieder schrieb, begann sie zunächst ein Kunst- und Architekturstudium in Turin, verließ die Universität jedoch ohne Abschluss. Während der ersten Tour mit ihrer eigenen Band blieb sie in Wien - der Liebe wegen - und begann 1983 am dortigen Konservatorium eine Ausbildung in Gesang und Tanz. Damit war der Weg vorgezeichnet: Etta Scollo wollte Musikerin werden.

Sie versuchte sich fortan in Grenzgängen zwischen Pop und Jazz, toppte mit einer italienischen Cover-Version des Beatles-Songs "Oh darling" sogar die österreichischen Charts . Doch statt an ihrer kommerziellen Karriere weiter zu arbeiten, verließ sie ihren Lebensort Wien und zog nach Hamburg, dem Start- und Zielpunkt des Schaffens der "neuen", aktuellen Etta Scollo, die in Begleitung von fünf Musikern italienische Musik macht, die sich gängigen Klischees verweigert, nicht in kitschiger "Das-Land-wo-die-Zitronen-blühen"-Romantik versinkt, sondern eckig und kantig klingt, ausdrucksvoll und robust, zeitgemäß und doch ohne Anbiederung.

Die ganze Palette ihres Könnens lässt sich seit April 2002 auf ihrem Live-Album "In Concerto" nachempfinden, das ziemlich genau ein Jahr vorher im "Tivoli" auf der Hamburger Reeperbahn aufgenommen wurde. Etta Scollo ist auf dieser Bühne Stammgast, meist spielt sie dort sogar an mehreren aufeinander folgenden Abenden, für sie also ein Heimspiel. Begleitet wird sie von ihrer angestammten Mannschaft Ferdinand von Seebach (Tasten, Posaune), Joe Huth (Bass), Boris Match (Tasten, Cello u.a.) Martin Druzella (Drums, Percussions) und dem Multiinstrumentalisten Frank Wulff, der ihrem Sound mit Ukulele, singender Säge, Drehleier und Maultrommel die besondere Note gibt. Für die Live-Einspielung wurde zusätzlich das neun-köpfige Streicher-Orchester "Musica nostra" engagiert.

Die starke Ausstrahlung ihrer Bühnenpräsenz überträgt sich selbst auf die CD. Der 75-minütige Live-Mitschnitt, der neben vielen Titeln ihrer beiden Alben "Blu" und "Il bianco del tempo" auch bislang unveröffentlichte Stücke beinhaltet, erklärt das Phänomen Etta Scollo recht deutlich; ihre Energie, die Bereitschaft, das Letzte zu geben, sich für das Publikum zu verausgaben.

Sie schont sich nicht, geht mit ihrer voluminösen, rauen, manchmal heiseren Stimme bis an die Grenze, wechselt übergangslos zwischen laut und leise, hohen und tiefen Tönen, sinnlichen Balladen und leidenschaftlichem Folk, in dem sie die musikalischen Traditionen ihrer süditalienischen Heimat mit viel Leidenschaft aufgreift.

Sie ist zu bewundern. Etta Scollo hat sich einen Lebenstraum verwirklicht. Sie ist unabhängig von Moden und Strömungen, braucht sich um Charts und Medien nicht zu kümmern. Ihre Konzerte sind fast ein Selbstgänger, und die Mund-zu-Mund-Propaganda derer, die sie schon kennen, beschert ihr eine ständig wachsende Fan-Gemeinde, noch ausgedehntere Tournee-Pläne, ... Ein Phänomen, wie gesagt.

Michael Frost, 15.04.2002
Foto: Tivoli-Theater

 

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