Ihre 
          Stimme überrascht und irritiert, denn sie unterscheidet sich recht 
          deutlich und wohltuend von dem, was landauf, landab bei Chansonabenden 
          auf Kleinkunstbühnen dargeboten wird. Die Frankfurter Rundschau 
          verglich Morin Smolé bereits mit Tori Amos und Kate Bush. Tatsächlich 
          teilt sie mit Tori Amos die ausladenden, schwelgenden Klavierläufe, 
          allerdings auch die Einflechtung von Elementen aus der Popmusik, und 
          mit Kate Bush hat sie die wandlungsfähige Stimme gemein, die immer 
          nach extremen Ausdrucksweisen zu suchen scheint, als gäbe es nichts 
          zwischen hoch und tief, schwarz und weiß, laut und leise, Himmel 
          und Hölle. 
          Morin 
            Smolé wuchs in Russland auf, absolvierte eine Theaterausbildung 
            in Klavier, Tanz, Gesang und Schauspiel. Nach Berlin kam sie Anfang 
            der 90er Jahre und begann ihre Karriere mit einer Gitarre als Straßensängerin 
            (Jawohl, liebe Casting-"Superstars", so geht das im richtigen 
            Leben !) und bald als Klavierlehrerin. 
          Ihre 
            poetischen Lieder schreibt sie selbst, und das überwiegend auf 
            Deutsch, eine beeindruckende Leistung angesichts der Tatsache, dass 
            sie praktisch ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland kam. Daneben 
            singt sie weiter Russisch, und auf ihrem zweiten Album "Genius" 
            finden sich aber auch Vertonungen französischer Texte, etwa "Soir 
            d'Avril" nach einem Text von Victor Hugo. 
          Elegische, 
            dramatische Balladen sind Morin Smolés Metier. Das Klavier 
            tritt dabei nicht so sehr als begleitendes Instrument in Erscheinung, 
            sondern vielmehr ein unabhängiges Eigenleben als Gegenpart zu 
            ihrer charaktervollen, bezirzenden, manchmal auch verstörenden 
            und schrillen Stimme spielt. Aus der dialoghaft angelegten Kommunikation 
            zwischen Gesang und Instrument erwächst dann auch die Spannung 
            in der Musik, die den Chansons von Morin Smolé exakt das verleihen, 
            was vielen ihrer Kolleginnen fehlt: die eigene Seele, die eigene Identität. 
            
          © 
            Michael Frost, 15. Januar 2004