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"Mi voz, latino"


Carlos Vives ist in Europa eine Neuentdeckung. In den USA erhielt er gerade einen Grammy, und in Lateinamerika ist er längst ein Superstar, und zwar einer, den man auch hier nicht verpassen sollte:

Die Karriere des 1961 in Santa Marta geborenen Vives begann schon Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Bands und als Schauspieler in kolumbianischen Soaps, den Telenovalas. In Kolumbien ist er seitdem ein gefeierter Star, seiner Heimatregion im Norden des Landes gilt er sogar als "König des Vallenato".

Zunächst allein, später auch mit seiner Band "La Provincia" veröffentlichte er zahlreiche Alben, die längst in ganz Lateinamerika für Aufsehen sorgten und seinen Ruhm als berühmtesten Musiker des Landes begründeten.

Die überbordende Energie lateinamerikanischer und karibischer Rhythmen setzt er in seinen Liedern meisterhaft um. Die Musik fährt sofort in sämtliche Glieder und reißt den Hörer von den Sitzen. Gekonnte Arrangements einer opulenten Vielfalt eingesetzter Instrumente (Akkordeon, Charango, akustischer und elektrischer Gitarre, Schlagzeug, Gaita, Tasten und allerhand Percussions) verschmelzen mit seinem leidenschaftlichen Gesang zu einem pulsierenden Rhythmus, dem man sich kaum mehr entziehen kann.

"Dejame entrar", sein jüngstes Album, ist gerade in der Kategorie "Bestes traditionelles Latin-Album" mit einem Grammy ausgezeichnet worden. Das mag der Grund dafür sein, dass es jetzt auch in Deutschland veröffentlicht wird. Und Vives ist wirkliche eine Entdeckung: Unter der erfahrenen Hand von Produzent Emilio Estefan entstand eine Aufnahme, in der Carlos Vives seine Stärken voll ausspielen kann. Schon die Studio-Einspielungen wirken mit ihren feurigen Karneval-Rhythmen unglaublich lebendig und lassen erahnen, wie erst die Live-Wirkung seiner Stücke sein könnte. "Traditionell" ist dabei der allgegenwärtige Bezug zur Herkunft der Musik, denn "Déjame entrar" bewahrt den ursprünglichen Charakter der Musik von der kolumbianischen Atlantikküste, ohne im um sich greifenden Latin-Pop-Mainstream aufgeweicht zu werden.

Ebenso überzeugend gelingen aber auch die langsameren Stücke - auch hier springt der Funken sofort über.

Vives wird in seiner Heimat umso mehr geliebt, als er sich bislang weigerte, sich zugunsten eines größeren Erfolges außerhalb des spanischen Sprachraums den internationalen Gepflogenheiten anzupassen. Die ebenfalls aus Kolumbien stammende Shakira wie auch Welt-Star Ricky Martin oder schon vor den beiden Gloria Estefan mussten schließlich einige Imagekorrekturen einschließlich Wechsel zum Englischen über sich ergehen lassen, um auch außerhalb der hispanischen Minderheit in den USA wahrgenommen zu werden.

Carlos Vives blieb solchen Ansinnen gegenüber bislang noch standhaft. Und an dieser Stelle bleibt der Party-Sound seiner Musik zwar erhalten, aber er mischt ihn mit durchaus ernsten, fast trotzigen Bekenntnissen, die deutlich machen, weshalb er zum Sprachrohr eines um Anerkennung und Selbstbewusstsein kämpfenden Landes und seiner Menschen werden konnte:
"Seré tu hermano
americano
del nuevo mundo
continente americano
soy columbiano
sudaca, hispano
del tercer mundo
continente americano
oye, latino
mi voz, latino
oye, latino
tu voz, latino ..."


Michael Frost, 02. März 2002

 

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