MADREBLU

Im Süden geht die Sonne auf:
Alternative-Pop aus Italien

Interview mit cd-kritik.de

 



Gino Mercelli & Raffaella Destefano:
Italienischer Pop auf hohem Niveau


Fast vier Jahre hat es gedauert, bis das Debüt-Album des italienischen Duos "Madreblu" den Weg nach Deutschland fand. Im Frühjahr und im Herbst 2002 erschienen sowohl das erste ("Prima dell'alba") als auch das zweite ("Necessità") Album von Madreblu bei uns und eröffnen einen hoffnungsvollen Blick gen Süden: Die glasklare und charismatische Stimme von Leadsängerin Raffaella Destefano, der melancholische Grundton, die sensiblen Arrangements von Gino Mercelli und die musikalischen Anleihen zwischen Pop, Alternative und Triphop machen Madreblu zu einer der größten musikalischen Entdeckungen Italiens der letzten Jahre.

CD-KRITIK.DE hatte das Vergnügen, die sympathische Raffaella Destefano im März 2002 zu sprechen, als sie zur Promotion von "Prima dell'alba" in Deutschland war.

 



Madreblu Offizielle Website

Staccato Records


CD-KRITIK.DE: Zunächst die obligatorische Frage nach dem Bandnamen. Was bedeutet er ?

Raffaella Destefano: Eigentlich haben wir ihn aus dem Wörterbuch. Wir wussten nicht, wie wir uns nennen sollten. Unser Produzent meinte, "blu" (blau) sollte darin vorkommen, weil unsere Musik "blu" sei. Und "Madre" (Mutter) ist der Beginn von allem. Das hat also eine spirituelle Bedeutung.

CD-KRITIK.DE: Eure Musik ist tatsächlich "blu" im Sinne einer melancholischen Grundstimmung, aber auf "Prima dell'alba" geht es ja nicht nur um spirituelle Dinge. In dem Lied "Ego" singst du sehr konkret über soziale Probleme, es gibt Textzeilen wie "bambine vendute, rubate", "morte annunciate", "no future",

Raffaella Destefano: (lacht) ... das ist Post-Punk ...

CD-KRITIK.DE: Kann man so sagen ! Gibt es - neben dem "Post-Punk" - eine politische Dimension in der Musik ?

Raffaella Destefano: Ja. Ich sehe mir die Welt an, und was auf ihr passiert, gefällt mir nicht. Ich möchte sie verändern, indem ich bei mir selbst beginne. Dadurch verändere ich auch die Welt um mich herum. Das ist die Botschaft von "Ego". Ich benenne die Dinge, die uns Angst machen und hoffe, dass sie dadurch deutlicher werden.

CD-KRITIK.DE: Ein anderer, ebenfalls sehr ausdrucksstarker Song auf dem Album ist "Girotondo". Der Text basiert auf dem traditionellen Kinderlied ?

Raffaella Destefano: Ja, das stimmt ! Kinderlieder wie dieses sind ein Teil von mir, ich bin mit ihnen aufgewachsen und lebe weiter mit ihnen. Das Kind in mir ist immer noch lebendig. In "Girotondo" geht es auch um unterschiedliche Probleme. Am Ende des Liedes geht es um Menschen, die in den Krieg ziehen und sterben, begraben und wieder zu Erde werden. Mit der nächsten Generation beginnt dieser Kreislauf von neuem. Er kann nur gestoppt werden, wenn wir die Kriege beenden.

CD-KRITIK.DE: Auch wenn ihr auf Italienisch singt, hat eure Musik doch eine sehr internationale Note.

Raffaella Destefano: Ja, Gino und ich hören tatsächlich mehr internationale als italienische Musik. Depeche Mode, Peter Gabriel, Kate Bush, Oasis oder Tori Amos.

CD-KRITIK.DE: Sind sie alle in eurer Musik ?

Raffaella Destefano: Ich weiß nicht, ob man sie in unserer Musik wirklich wiederfindet, aber wir mögen sie, und weil wir weniger italienische Musik hören und aus Italien herausgehen und uns von neuen Sounds inspirieren lassen, hört man das unserer Musik sicherlich auch an.



CD-KRITIK: Necessità

CD-KRITIK.DE: Aus künstlerischer Sicht ist es sicher richtig und passend, dass ihr Italienisch singt. Oft genug wird aber leider - auch in Deutschland - gesagt, dass für einen internationalen Erfolg Englisch notwendig ist. Hat Italienisch für euch eine besondere Bedeutung, die euch an der Sprache festhalten lässt ?

Raffaella Destefano: Ja, das stimmt, für mich ist die italienische Sprache ganz wichtig. Zunächst, weil ich Italienerin bin, ich unterhalte mich auf Italienisch, ich träume auf Italienisch, ich denke auf Italienisch. Es ist einfacher für mich, und ich kann auf Italienisch immer exakt ausdrücken, was ich meine und fühle. Und für das, was wir in der Musik ausdrücken, ist das auch ganz wichtig.
Aber es natürlich für das Verständnis unserer Musik ein Hindernis, dass international nicht so viele Menschen Italienisch sprechen. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, einmal ein Album auf Englisch aufzunehmen.

CD-KRITIK.DE: In Deutschland hat man manchmal das Gefühl, dass die italienische Musikszene nur aus den etablierten Stars wie Ramazzotti, Zucchero oder Laura Pausini besteht. Gibt es außer euch eine Szene, die abseits des Mainstreams eigene Wege geht ?

Raffaella Destefano: In Italien gibt es leider keine sehr große Alternative-Szene, sie wächst zwar, aber nur langsam. Man kann ein paar Bands finden, die sehr hart arbeiten und versuchen, Karriere zu machen, aber oft orientieren sie sich sehr schnell ins Ausland. Das macht es sehr schwer.

CD-KRITIK.DE: "Prima dell'alba" ist in Deutschland gerade erst erschienen, aber in Italien ist das Album schon vier Jahre auf dem Markt. Woran hat es gelegen, dass wir so lange auf Madreblu warten mussten ?

Raffaella Destefano: Oh, das weiß ich nicht, damit habe ich nichts zu tun ! (lacht) Nein, Ende letzten Jahres kam die Plattenfirma und sagte, sie wollten "Prima dell'alba" in Deutschland herausbringen, worüber wir uns sehr gefreut haben. Ich mag den Norden Europas sehr gerne und hoffe darauf, dass es uns gelingt, auch ein paar Konzerte hier zu geben. Und unser nächstes Album soll hier dann auch in "Echtzeit" erscheinen !

Interview: Michael Frost / CD-Kritik.de
Fotos: Madreblu Website
26.03.2002

 


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