"Neapel", sagt Joe Barbieri über seine Heimatstadt, "war immer schon das Rückgrat italienischer Musik." Tatsächlich verfügt die süditalienische Großstadt über eine beachtliche Ahnengalerie, die von Gassenhauern wie "O solo mio" (das nicht, wie vielfach angenommen, eine Erfindung venezianischer Gondolieri ist) bis zum Ethnopop von Bands wie Almamegretta oder einigen der bedeutendsten Cantautori des Landes: Pino Daniele, Enzo Avitabile.
In
ihrer Tradition bewegt sich auch Joe Barbieri, der seit seinen ersten
Alben ("Gli amori della mia vita"/1993, "Virus"/1998)
selbst zu dem beschriebenen "Rückgrat" der italienischen
Musikszene gehört. Mehr noch: Das ursprünglich auf französische
Interpreten spezialisierte "Le Pop"-Label, das Barbieri
für das deutsche Publikum entdeckte und sein drittes Album "In
parole povere" nun (mit dreijähriger Verspätung) veröffentlicht,
bezeichnet ihn gar als "Wunder", das "Italien zurück
auf die Poplandkarte brachte".
Dass
die Lobeshymne keineswegs übertrieben ist, wird bereits mit den
ersten Klängen von "In parole povere" deutlich. "Mit
wenigen Worten" und ebenso sparsamen Einsatz von Instrumenten
eröffnet Barbieri nämlich einen Einblick in seine Vorstellung
von dem, was italienische Popmusik jenseits der "Italopop"-Klischees
zu leisten in der Lage ist.
Barbieri
spannt mit seinem Album einen Bogen, der von seinem Förderer
Pino Daniele bis zu den Granden der brasilianischen Bossanova reicht,
Cooljazz-Elemente streift und gleichzeitig zur internationalen Songwriter-Szene
aufschließt.
Mit hoher, bisweilen an Falsett grenzender Stimme versinkt Barbieri
förmlich im leisen Temperament seiner detailreich inszenierten
canzoni, streng akustisch begleitet mit Gitarre, Kontrabass,
Klavier, Cello und Schlagzeug.
Man
mag sich kaum satt hören an diesem wunderbaren Album, seinen
fein ziselierten Harmonien, dem sensitiven Gesang und den brillanten
Arrangements, die einen nächtlichen Sternenhimmel aufgehen lassen
können und für jede laue Sommernacht die perfekte Untermalung
bieten.
Ob
Barbieri nun tatsächlich gleich ein ganzes Land zurück auf
die musikalische Landkarte bringen wird, muss sich allerdings noch
erweisen. Wie schmerzlich der italienische Einfluss in den letzten
Jahren fehlte, unterstreicht sein Album allerdings mit Nachdruck,
und mit ihm wächst ganz bestimmt das Verlangen nach "mehr".
"In
parole povere" erscheint in Deutschland am 20.07. bei Le Pop
Records (Vertrieb: Groove Attack).
©
Michael Frost, 15.07.2007